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Ius and Tithonium Chasma - ungleiche Geschwister

Tithonium Chasma misst von Osten nach Westen etwa 800 Kilometer, Ius Chasma 840 Kilometer. Im Westen schließt die zerklüftete Region Noctis Labyrinthus an die beiden Täler an und im Osten die sich weiter nach Norden öffnenden, zentralen Senken von Melas und Candor Chasma. Der Begriff Chasma wurde von der Internationalen Astronomischen Union als Bezeichnung für eine langgestreckte Senke mit steilen Abhängen an den Seiten bezeichnet. Auf den hier vorgestellten Aufnahmen betragen die größten Höhenunterschiede vom Plateau bis in die tiefsten Regionen innerhalb der Schluchten mehr als 7000 Meter. Das Farbbild der Draufsicht zeigt Ius Chasma links (Süden) und Tithonium Chasma rechts (Norden). Die Plateauregionen um und zwischen den Chasmata zeigen deutlich die geradlinig verlaufenden großen Brüche, die ursächlich für die Entstehung der Valles Marineris waren.

Zwischen den beiden Tälern fallen deutliche Unterschiede auf. So ist der Grund von Tithonium Chasma sehr viel dunkler. Bei näherer Betrachtung sind am oberen Rand des Bildes (Nordwesten, etwa in der Mitte der Schlucht) dunkle Dünen zu erkennen und auch die umliegenden Gebiete sind von einer dünnen Schicht aus dunklen Sanden bedeckt (in diesen kontrastverstärkten Bildern bläulich dargestellt). Aufgrund der Nähe zur Vulkanregion Tharsis im Westen bestehen viele der in diesem Gebiet vorhandenen Gesteine aus Schichten von Lavaströmen und Vulkanasche, die möglicherweise die Quelle des dunkel gefärbten Sandes sind, aus denen die Dünen aufgebaut sind. Mineralogische Untersuchungen des Dünenmaterials bestätigten ihren vulkanischen Ursprung.

Ein weiteres sehr interessantes Merkmal sind die beiden hellen Berge – einer direkt gegenüber dem dunklen Dünenfeld und vom Bildrand angeschnitten und der andere in der Mitte dieses Teils von Tithonium Chasma. Sie sind über 3000 Meter hoch und weisen eine vom Wind stark erodierte Oberfläche auf. Diese „Erosionsgassen“ werden Jardangs genannt und weisen darauf hin, dass das Material, das diese kuppelförmigen Hügel bildet, im Vergleich zu den umgebenden Felsen weniger resistent gegen Erosion ist. So konnte der Wind durch mitgeführte Sand- und Staubpartikel diese Landschaftsformen aus dem Gestein schmirgeln. Man kann an diesen Furchen sogar ablesen, dass die Windrichtung dieses „Sandstrahlgebläses“ von Nordost nach Südwest verlief (rechtsunten nach mitteoben im Bild). Der Boden zwischen den beiden hell getönten Ablagerungen zeigt eigentümliche kleine Noppen, vermutlich aus dem gleichen Material wie die Hügel. Spektroskopische Untersuchungen weisen auf hohe Konzentrationen wasserhaltiger Sulfat-Minerale in diesen Schichten hin. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler glauben, dass diese Ablagerungen durch Verdunstung zu einer Zeit entstanden sind, als die Chasmata mit Wasser gefüllt waren. Dieses Entstehungsszenario wird jedoch in der Wissenschaftsgemeinde immer noch intensiv diskutiert.

Im Nordosten dieses windzerfurchten, hellen Berges sind gewaltige Ablagerungen von Hangrutschungen zu sehen, die sich an den steilen Abhängen gelöst hatten. Der größere stammt vom Abbrechen der Schluchtwand im Nordosten (unterhalb des Hügels) und sieht relativ jung aus, da er an seinem Auslauf divergierende Streifen und schürzenartige Loben von Ablagerungen aufweist. Im unteren Teil des Bildes wird er zudem von kleineren Erdrutschen überlagert. Dies ist am besten im farbkodierten digitalen Geländemodell zu erkennen. Eine weitere große Rutschung befindet sich südlich (links) des zentralen Hügels. Diese sieht jedoch viel stärker erodiert aus und könnte deshalb älter sein. Die Erdrutsche treten auch in topographisch höher gelegenen Regionen auf, wie die „kleine“, 15 Kilometer breite Ablagerung nahe dem durchbrochenen Kraterrand im mittleren Teil des Bildes zeigt.

Kaum weniger spektakulär ist der Talgrund in Ius Chasma. In der hügeligen und zerfurchten Oberfläche scheinen riesige, nach hinten geneigte Felsblöcke die Bewegungsrichtung der Hangrutschungen von den Abhängen in Richtung Mitte des Grabenbruchs nachzuzeichnen. Interessanterweise zeigt die südliche (linke) Flanke von Ius Chasma mehrere parallele Steilhänge in einer ähnlichen Ost-West-Ausrichtung wie die Chasmata und Verwerfungen selbst. Damit ist die Nord-Süd-Orientierung der Dehnungstektonik, die den Graben aufbrechen ließ, in den Ablagerungen auf dem Chasma-Boden dokumentiert.