Bilddaten, die von der hochauflösenden Stereokamera (HRSC) an Bord der ESA-Mission Mars Express aufgenommen wurden, zeigen die weiten Ebenen von Arcadia Planitia im nördlichen Tiefland. Die HRSC ist ein Kameraexperiment, das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt wurde und betrieben wird.
Bildquelle: MOLA Science Team/FU Berlin
Bildquelle: ESA/DLR/FU Berlin
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Arcadia Planitia liegt im nördlichen Tiefland nordwestlich des Tharsis-Plateaus - einem vulkanischen Gebiet, in dem sich die bekannten Tharsis Montes Schildvulkane befinden, darunter der größte Vulkan Olympus Mons. Im Gegensatz zum südlichen Hochland sind die Tiefebenen dieser Region durch ein überwiegend flaches Terrain geprägt. Arcadia Planitia ist bekannt für relativ junge Lavaströme aus der Amazonischen Periode. Aufnahmen der High Resolution Stereo Camera (HRSC) zeigen den südlichen Abschnitt von Arcadia Planitia und ermöglichen faszinierende Einblicke in die Marslandschaft - darunter Wirbelwinde, sogenannte “Staubteufel”, ausgeworfenes Material rund um einen Einschlagkrater sowie ein gigantisches Dünenfeld.
Im Vergleich zur Erde besitzt der Mars nur eine sehr dünne Atmosphäre – nur etwa 1% so dicht wie die irdische. Dennoch werden atmosphärische Phänomene wie die sogenannten “Staubteufel” auf dem Mars häufig beobachtet. Diese kurzlebigen, rotierenden Wirbelwinde sind deutlich kleiner als die gewaltigen Staubstürme, die den Mars manchmal wochenlang verhüllen. Während eines Orbits erfasste die HRSC-Kamera gleich vier solcher aktiven Staubteufel. Staubteufel entstehen typischerweise am Nachmittag, wenn die aufgeheizte Marsoberfläche die darüberliegende Luft erwärmt. Die warme Bodenluft steigt auf, setzt sich in Rotation und bildet dabei einen vertikalen Luftwirbel, der Staub und feine Sandpartikel vom Boden in die Höhe reißt. Durch diesen Prozess spielen Staubteufel eine wichtige Rolle bei der Verteilung von Staub auf der Marsoberfläche und tragen so zur ständigen Umgestaltung der Marsoberfläche bei.
In den Bildern zeigen sich die Staubteufel als kleine helle Punkte mit einem pinken „Schatten“ (siehe beschriftetes Bild). Dieser Schatteneffekt entsteht durch die schnelle Bewegung der Wirbelwinde während der Aufnahme. Verantwortlich dafür ist die spezielle Funktionsweise der HRSC-Kamera, die nach dem sogenannten Pushbroom-Prinzip arbeitet. Dabei erfassen verschiedene Bildkanäle dieselbe Oberfläche jeweils zu leicht versetzten Zeiten: Der Nadir-Kanal blickt dabei senkrecht nach unten, während andere Kanäle leicht nach vorne oder hinten ausgerichtet sind. So lassen sich selbst kleine Positionsänderungen der Staubteufel erkennen – und daraus ihre Bewegungsrichtung sowie Geschwindigkeit ableiten.
Marsianische Staubteufel können Geschwindigkeiten von bis zu 45 m/s und Höhen von bis zu 8 Kilometern erreichen. Ihr Durchmesser ist jedoch im Vergleich zur Höhe kleiner und beträgt gewöhnlich weniger als 100 Meter. Staubteufel treten vorwiegend in weiten Ebenen wie Arcadia Planitia auf, ähnlich wie ihr Pendant auf der Erde, die vor allem in trockenen Wüstenregionen zu finden sind. Obwohl sich die atmosphärischen Bedingungen auf Mars und Erde stark unterscheiden, weisen marsianische und irdische Staubstürme einige Gemeinsamkeiten auf. Allerdings sind sie auf dem Mars viel größer, was daran liegt, dass die Temperaturunterschiede durch die starke Erhitzung der Marsoberfläche am Tag sehr hoch sind.
Auf den ersten Blick wirken die Bilder leicht verschwommen. Doch beim Hineinzoomen offenbart sich in der rötlichen Region ein gigantisches Feld von unzähligen stromlinienförmigen Felsrücken, die den ersten Eindruck von „Unschärfe“ erklären (siehe beschriftetes Bild). Diese sogenannten "Jardangs" entstehen durch beständige, meist in eine Richtung wehende Winde, die weicheres Gestein schneller abtragen als härtere Schichten. Dabei bleibt das härtere Gestein übrig und es enstehen diese eindrucksvolle Felsformationen. Die Grenze zwischen dem Jardang-reichen, rötlichen Gebiet und dem angrenzenden dunkleren Terrain ist deutlich erkennbar: Die dunklere Fläche weist keine Jardangs auf. Diese klare Grenze könnte auf Unterschiede im Oberflächenmaterial, der Gesteinshärte oder der Windintensität in den jeweiligen Bereichen hindeuten. Die Abtragung durch Wind gehört zu den aktivsten geologischen Prozessen auf dem Mars. Dies trifft insbesondere auf tiefer gelegene Ebenen wie der Arcadia Planitia zu, wo der Wind die Landschaft stetig weiter formt.
Besonders auffällig in den HRSC-Aufnahmen ist das Auswurfmaterial eines etwa 15 Kilometer großen Einschlagkraters (siehe beschriftetes Bild). Das lappenartige Erscheinungsbild und die doppelschichtige Struktur dieses Materials weisen auf einen hohen Gehalt flüchtiger Stoffe – vor allem Wasser – im Untergrund hin. Sowohl die Morphologie als auch spektroskopische Analysen der Auswurfdecke liefern Hinweise auf wasserreiches Material, das möglicherweise aus geringer Tiefe freigelegt wurde. Auswurfmaterial mit einem hohen Anteil an flüchtigen Bestandteilen ist in den mittleren Breitengraden des Mars recht verbreitet. Dies stützt die Theorie, dass sich während Phasen mit großer Neigung der Rotationsachse des Mars Eis bis in die mittleren Breiten angesammelt hat. Vermutlich wurde dieses Eis später von anderem Material bedeckt und dadurch vor Sublimation geschützt.
Die Lage von Arcadia Planitia in den mittleren Breiten des Mars lässt vermuten, dass in dieser Ebene nahe der Oberfläche Eis im Untergrund vorhanden ist. Dieses kann entweder in Form von Eis außerhalb oder innerhalb der Poren des Bodenmaterials vorliegen. Im ersten Fall übersteigt die Eismenge das im Boden vorhandene Porenvolumen und „nimmt“ sich den Raum, den es benötigt. Im zweiten Fall handelt es sich um sogenanntes Poreneis, das nur den natürlichen, vorhandenen Porenraum ausfüllt. Aufgrund des möglichen Vorkommens von Wassereis im Boden gilt Arcadia Planitia als potenzieller Landeplatz für zukünftige robotische oder bemannte Marsmissionen.
Weitere Informationen über die bekannten Staubteufel auf dem Mars aus der Veröffentlichung von 2019:
→ Wer hinterließ die dunklen Spuren auf dem Mars?
Die Bilder wurden mit HRSC (High Resolution Stereo Camera) am 10.11.2024 während Mars Express Orbits 26333 aufgenommen. Die Auflösung der Oberfläche beträgt circa 18 meter pro pixel und das Bild ist zentriert bei circa 211° Ost and 41° Nord. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodell-Daten, den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.
Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird von dort betrieben. Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.
Um bereits veröffentlichte Rohbilder und DTMs der Region im GIS-kompatiblen Format herunterzuladen, benutzen Sie bitte diesen Link zu unserem Mapserver.
Images: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO
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Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Daniela Tirsch besteht aus 50 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.