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Holden Basin - Geheimnisvolles Chaos

Diese Bilder der Marskamera HRSC zeigen ein Chaosgebiet am Übergang zu Ladon Valles nahe des Holden Kraters.

Die High Resolution Stereo Camera (HRSC) wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird von dort betrieben.


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Holden Basin

Holden Basin - Geheimnisvolles Chaos

Im Zentrum der HRSC-Bilder erkennt man eine regellose Häufung von Gesteinsblöcken unterschiedlichster Größe und tafelbergähnliche Erhebungen. Solch ein Gebiet wird als chaotisches Gebiet (oder engl. „chaotic terrain“) bezeichnet. Auf dem Mars kommt diese Landschaftsform recht zahlreich vor. Sie entsteht, wenn Eisreservoire im Untergrund zum Beispiel durch vulkanisch induzierte Wärme schmelzen und beträchtliche Mengen Wasser schlagartig freigesetzt werden und abfließen. Dadurch kollabiert die Oberfläche über den neu entstandenen Hohlräumen und die Landschaft stürzt in sich zusammen. Der genaue Auslöser für die Bildung des chaotischen Gebiets hier an dieser Stelle ist bis heute jedoch unklar. Auf der Erde gibt es keine vergleichbare Landschaftsform.

Das chaotische Gebiet befindet sich an der tiefsten Stelle einer großen, bis zu 2.000 Meter tiefen Senke (gut zu erkennen in der topographischen Karte, der blau gefärbte Bereich). Sie wird inoffiziell auch „Holden-Becken“ genannt, da der Einschlagskrater Holden gut ein Drittel davon belegt. Am nordöstlichen Rand der Senke (rechts) beginnt das Ladon-Tal, wie besonders gut am unteren Bildrand zu erkennen ist. In der linken Bildhälfte ist der östliche Hang der Senke zu sehen. Hier gibt es mehrere, relativ „frische“ Täler, die in das Becken münden. Teilweise sind sie bis zu 500 Meter breit.

 


In den beiden letzten Jahrzehnten stand die Erforschung des Mars' bei der NASA unter dem Motto „Follow the Water“, also „Folge dem Wasser!“ Das Holden-Becken und der dort befindliche Holden-Krater, der nach dem amerikanischen Astronomen Edward Singleton Holden (1846-1914) benannt wurde, gehören zum sogenannten Uzboi-Ladon-Morava-System, kurz ULM-System. Dabei handelt es sich um ein etwa 8.000 Kilometer langes Abflusssystem bestehend aus einer Vielzahl von Tälern und Vertiefungen, durch das Wasser von der südlich gelegenen Argyre Planitia bis in Chryse Planitia im nördlichen Tiefland des Mars transportiert wurde. Das ist länger als der Flusslauf des Nils, des längsten fließenden Gewässers auf der Erde. In der hemisphärischen Übersichtskarte lässt sich gut nachvollziehen, wie vor mehr als drei Milliarden Jahren Wasser aus dem südlichen Marshochland in das nördliche Tiefland abfloss.

Vor dem Einschlag, der den Holden-Krater mit einem Durchmesser von 140 Kilometern schuf, bestand das ULM-Ausflusssystem durchgehend aus einer langen Reihe von Kanälen und Senken, die aus dem Argyre-Becken hervorgingen und nach Norden durch das Uzboi-Tal in das Holden-Becken flossen. Von dort verlief es weiter durch die Ladon-Täler (Ladon Valles) in das, ebenfalls inoffiziell benannte, „Ladon-Becken“, das vermutlich auch ein sehr großes, altes Einschlagsbecken darstellt (siehe gestrichelte Linien in der globalen Übersichtskarte). Schließlich führte der Abfluss weiter durch die Morava Valles in Richtung Norden. Es wird angenommen, dass sogar Ares Vallis durch die Abflüsse des ULM-Systems entstanden ist. Im Mündungsgebiet von Ares Vallis landete und operierte vor genau 25 Jahren der erste mobile Marsroboter, Sojourner, der Mission Mars Pathfinder. Die Untersuchungen vom Spätsommer 1997 zeigten, dass dort episodisch gewaltige, mit großer Energie talwärts strömende Wassermassen die Landschaft gestaltet hatten.

Zusammengenommen kann das Einzugsgebiet dieses Entwässerungssystems an der Oberfläche und auch im Grundwasserspiegel bis zu neun Prozent der Marsoberfläche umfasst haben. Der Einschlag, der den Holden-Krater erzeugte, ereignete sich höchstwahrscheinlich im Marszeitalter des Späten Noachium (von vor etwa 3,85 bis 3,7 Milliarden Jahren), nach der Hauptaktivität des ULM-Systems. Die Bildung des Holden-Kraters unterbrach das ULM-Abflusssystem, aber das Uzboi-Tal im Süden durchbrach die bis zu 900 Meter hohen Kraterwände, wodurch Holden zum Endbecken für die Uzboi- und Nirgal-Täler wurde. An der Einmündung von Uzboi Vallis in den Krater entstand ein Flussdelta, was ein unwiderlegbarer Beweis dafür ist, dass sich im Krater Holden ein See gebildet hat. Ein ähnliches, recht bekanntes Flussdelta ist direkt nördlich von Holden, im Krater Eberswalde, zu finden (eingezeichnet auf der hemisphärischen Übersichtskarte). Dieses Vogelfußdelta wurde einst als Landestelle für die Marsmission Mars Science Laboratory (MSL) mit dem Rover Curiosity vorgeschlagen, hat aber den Wettlauf gegen die anderen Kandidaten nicht gewonnen.

Obwohl es bei Holden kein sichtbares Ausflusstal gibt, ist an der Ostseite des Kraters ein Einsturzgebiet zu erkennen. Es gibt keine Hinweise auf signifikante Ab- und Durchflüsse nach dem Einschlag, aber einige kleinere Abflüsse könnten entlang des ULM-Systems aufgetreten sein, nachdem der Holden-Krater gebildet wurde. Sicherlich wurde der Boden des Beckens, in dem der Holden-Krater gebildet wurde, mit großen Mengen an Auswurfmaterial verfüllt. Die komplexe Geschichte des ULM-Systems gepaart mit der Überprägung durch Einschläge macht die Region zu einem interessanten Ziel für zukünftige Untersuchungen. Sie wird, wie oben erwähnt, seit einem Vierteljahrhundert immer wieder als höchst interessante Landestelle diskutiert. Darüber hinaus enthalten sowohl Ladon Valles als auch insbesondere der Holden-Krater geschichtete und tonmineralhaltige Sedimente, die Spuren von mikrobiellem Leben besonders gut konservieren könnten, was sie zu potentiellen Zielen für die Suche nach möglichem früheren Leben auf dem Roten Planeten macht.



High Resolution Stereo Camera (HRSC)

» Informationen zur Herkunft und Verarbeitung der Bilder

Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 24. April 2022 während Orbit 23133 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 19 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 329° östlicher Länge und 25° südlicher Breite. Die Farbaufsicht wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt, die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Geländemodell-Daten, den Nadir- und Farbkanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild, das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und den Stereokanälen abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht beruht auf einem digitalen Geländemodell (DTM) der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt. Der Referenzkörper für das HRSC-DTM ist eine Äquipotentialfläche des Mars (Areoid).

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und wird von dort betrieben. Die systematische Prozessierung der Kameradaten erfolgte am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten daraus die hier gezeigten Bildprodukte.

Um bereits veröffentlichte Rohbilder und DTMs der Region im GIS-kompatiblen Format herunterzuladen, benutzen Sie bitte diesen Link zu unserem Mapserver.

Images: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Copyright Notice:

Where expressly stated, images are licenced under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 IGO (CC BY-SA 3.0 IGO) licence. The user is allowed to reproduce, distribute, adapt, translate and publicly perform it, without explicit permission, provided that the content is accompanied by an acknowledgement that the source is credited as 'ESA/DLR/FU Berlin', a direct link to the licence text is provided and that it is clearly indicated if changes were made to the original content. Adaptation / translation / derivatives must be distributed under the same licence terms as this publication.

Die High Resolution Stereo Camera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Dr. Thomas Roatsch besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und 11 Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.