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Tatort Uni

Der Geowissenschaftler Frank Riedel begibt sich in seiner Freizeit in gefährliche Gefilde: Er schreibt Krimi

10.08.2015

An freien Abenden und in den Semesterferien erforscht der Paläobiologe Frank Riedel ein fachfremdes Gebiet. Dann wird der Professor am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin zum Krimiautor – und schickt zwei pensionierte Fernsehkommissare auf Verbrecherjagd.

Seine Studentenwohnung lag in Hamburg, auf dem Kiez. Wenige Meter von der Reeperbahn entfernt machte es sich Frank Riedel in den 1980er-Jahren an Sonntagabenden vor dem Fernseher bequem: 20.15 Uhr, Tatortzeit – zumindest, wenn seine Kommissare an der Reihe waren.

Stoever und Brockmöller ermittelten, und Frank Riedel, der damals Biologie und Geologie studierte, kannte die meisten Straßen und Plätze, an denen die beiden Verbrecher jagten. Selbst wenn die Spur aus Hamburg hinausführte, war Riedel schon dort gewesen, meist als Kind.

„Meine Eltern hatten ein Segelboot“, erzählt Riedel. „Damit sind wir auf die Nordsee hinausgefahren, bis nach Helgoland. Auf Neuwerk waren wir auch, da bin ich oben auf dem Leuchtturm herumbalanciert, in dem die beiden Kommissare in der Folge ‚Tod auf Neuwerk‘ wohnen. Und natürlich besuchten wir auch Scharhörn, wo Jahrzehnte später Stoever und Brockmöller in ihrem letzten Fall ermittelten.“

Der Hamburger Tatort war genau sein Fall

Doch nicht nur das Lokalkolorit faszinierte ihn, sagt Riedel. „Ich habe vor allem diese Figuren geliebt.“ Drei Fälle lang ermittelte Manfred Krug in der Rolle des Paul Stoever allein, dann bekam er 1986 Charles Brauer alias Peter Brockmöller als Partner an die Seite gestellt.

Manfred Krug habe ihm in der Rolle des mürrischen, manchmal selbstgefälligen Chefs, der sich ordentlich bemüht, seine sanfte Seite zu verbergen, sehr gefallen, erinnert sich Riedel. An Charles Brauer mochte er, wie der Schauspieler sich an der Seite von Krug entwickelte und schnell zum „zweiten Platzhirsch“ wurde. Riedels Resümee zu dem Gespann: „Zwei coole Typen.“

15 Jahre und 41 Fälle lang blieben die beiden Partner. Frank Riedel schloss in dieser Zeit sein Studium ab, wurde Vater, promovierte, verließ zunächst mit seiner Familie St. Pauli und später auch Hamburg, wurde schließlich Professor für Paläobiologie am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität Berlin. Das war 2001 – dem Jahr, in dem Stoever und Brockmöller ihre Ermittlerarbeit einstellten und in ihrer Abschiedsszene auf hoher See als Swinging Cops „Bye Bye Blackbird“ sangen.

Drehbuch für den NDR verfasst

Vielleicht ist Trauer ein zu großes Wort für das, was Frank Riedel in diesem Moment empfand. „Aber sehr schade war es schon“, sagt er. Für ihn war die Arbeit von Stoever/Brockmöller auf jeden Fall noch nicht abgeschlossen. Und so schrieb er an das „Studio Hamburg“, das die „Tatort“-Folgen für den NDR produziert hatte. „Ich habe ein Drehbuch geschrieben, das darauf angelegt war, die beiden zurückzuholen“, sagt der 53-Jährige. „Mein Buch knüpfte genau dort an, wo der letzte ,Tatort' aufgehört hatte.“

Doch vom „Studio Hamburg“ erfuhr er, dass zumindest Manfred Krug nicht mehr zu seiner Rolle zurückkehren wollte. Das Buch schrieb Frank Riedel trotzdem, und die beiden Erfinder der Figuren Stoever und Brockmöller überließen ihm großzügig die „Nutzungsrechte“ für das Ermittler-Duo. Der eine von beiden Autoren, Kurt Bartsch, habe ihn an einem 6. Dezember angerufen und ihm die Rechte an der Figur des Peter Brockmöller zu Nikolaus geschenkt, erinnert sich Riedel.

Drei „Stoever und Brockmöller“-Krimis hat Frank Riedel bisher geschrieben, der letzte erschien im vergangenen Jahr. Fernsehkommissaren sieht der Wissenschaftler heute fast gar nicht mehr bei der Arbeit zu, auch den „Tatort“ schaltet er höchstens zufällig ein. „Neben der Tätigkeit an der Universität Bücher zu schreiben, ist ganz schön zeitaufwendig“, sagt er.

Krimis schreiben zur Entspannung

Riedel nutzt das Schreiben, um am Feierabend den Kopf freizubekommen. Doch als Autor verschafft er sich nicht nur Abstand zu seiner Arbeit als Paläobiologe, bei der er unter anderem ausgestorbene Organismen erforscht, sondern er erzeugt gleichzeitig große Nähe zu seiner Wissenschaft.

So geht es in seinem neuen Buch, „Stoever und Brockmöller – Designertod“ um Kreationismus, jene Mischung aus Religion und Pseudowissenschaft, die im Bibelgürtel der USA ihre stärksten Anhänger hat und den Darwinismus ablehnt. Zum Schöpferglauben treten je nach Strömung die Thesen, die Erde sei etwas mehr als 6000 Jahre alt und Dinosaurier und Menschen hätten zeitgleich gelebt.

In seinem Krimi "Designertod" lässt Frank Riedel Kreationisten Jagd auf Wissenschaftler machen, und wenn er über diese Bewegung redet, spürt man: Das Thema seines Buches ist ihm ernstes Anliegen. „Wir haben in Europa lange genug gebraucht, bis sich die Aufklärung durchsetzte“, sagt er. „Ich bleibe ganz entspannt, solange der kreationistische Glauben innerhalb einer Religionsgemeinschaft bleibt. Aber ich werde kämpferisch, sobald Menschen missionarisch werden und versuchen, Kreationismus beispielsweise in unserem Schulsystem zu verankern.“ Genau das geschehe in seinen Augen zurzeit: „Diese Strömung versucht unsere Gesellschaft zu unterwandern.“

Der Wissenschaftler macht ernste Anliegen zum Thema seiner Geschichten

Bei Frank Riedel trifft Krimi auf Wissenschaft. Es gibt noch eine Verbindung zwischen der Arbeit des Autors und seiner fiktiven Welt. Riedel ist viel unterwegs, forscht in Afrika, Asien und Amerika. Doch nicht nur er selbst stellt in der Ferne Untersuchungen an – auch seine beiden Kommissare. Dabei fliegen die Ermittler nur in Länder, die Frank Riedel bereits vor ihnen bereist hat – Litauen zum Beispiel oder Namibia. „Ich möchte bei meinen Beschreibungen Regionen und Orte in ihrer Stimmung authentisch wiedergeben“, sagt Riedel.

Rund drei Jahre hat er an seinem dritten Krimi geschrieben, ein kleiner Kreis von guten Freundinnen darf seine Bücher vor Veröffentlichung lesen. „Sie sind Fans und trotzdem kritisch genug“, sagt er. Seine drei Kinder hingegen seien „nicht so scharf drauf, die Bücher vom Papa zu lesen“. Doch immerhin ein Sohn habe zumindest einen Krimi des Vaters gelesen. Frank Riedel erinnert sich noch genau an die Reaktion: „Er hat mir für mein Schreiben eine 2+ gegeben.“

Lennart Paul

Dieser Artikel erschien im Online-Magazin campus.leben der Freien Universität Berlin (2015)


Der Wissenschaftler

Prof. Dr. Frank Riedel

Frank Riedel ist Professor am Institut für Geologische Wissenschaften der Freien Universität und Direktor des dortigen Centre for Ecosystem Dynamics in Central Asia. Er forscht vor allem zu den Themen Klima- und Umweltwandel (auch im Hinblick auf alte Zivilisationen), der Dynamik von Ökosystemen mit den regionalen Schwerpunkten südliches Afrika, Kaspische Region, Zentralasien, Tibet und Himalaya, China und Ostsibirien (Baikalsee).

Kontakt
Freie Universität Berlin
Institut für Geologische Wissenschaften
Fachrichtung Paläontologie
E-Mail: paleobio@zedat.fu-berlin.de