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Kilometer tiefe Schluchten im „Labyrinth der Nacht“

Die aktuellen Bilder, aufgenommen von der hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen ein gigantisches Grabensystem westlich der Valles Marineris auf dem Mars. Dieses nicht minder beeindruckende Gebiet ist das sogenannte Noctis Labyrinthus – das Labyrinth der Nacht. Es besteht aus einem Labyrinth sich kreuzender Tälern und bis zu sechs Kilometer tiefer Schluchten. Mit einer Ost-West-Ausdehnung von über 1200 Kilometern entspricht es in etwa der Länge des Rheins. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten die hier gezeigten Bildprodukte. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof.

   

Noctis Labyrinthus Perspektive
Noctis Labyrinthus Perspektive
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In den Bildern 2, 3 und 4 sind zwischen den tief eingeschnittenen Gräben auch einige kleinere Seitentäler zu sehen. Dominiert wird das Ganze aber von den riesigen Tafelbergen, deren Plateaus die ursprüngliche Oberfläche des Marshochlands repräsentieren. Das Tal in der rechten Bildhälfte gehört mit einer Breite von etwa 30 Kilometern zu den breitesten im gesamten Labyrinth. Andernorts verengen sich die Schluchten auf wenige Kilometer. Stünde ein Astronaut auf dem Grund dieser Täler, würde sich ihm mit den zu beiden Seiten kilometerhoch aufragenden Steilhängen eine spektakuläre Kulisse bieten.

Die Entstehung dieses Schluchtensystems hängt mit der Aufwölbung der Marsoberfläche in der weiter westlich gelegenen Tharsis-Region zusammen. Hier führte intensiver Vulkanismus zu tektonischen Spannung in der Marskruste und damit zum Aufreißen großer Gebiete. Gleichzeitig sackten Teile der Oberfläche zwischen den auseinander gerissenen Geländeblöcken ab. Auf der Tharsis-Aufwölbung befinden sich auch die größten Marsvulkane.

                     

Noctis Labyrinthus Farbaufsicht
Noctis Labyrinthus Farbaufsicht
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Den Hang aufwärts wandernde Dünenkämme

An vielen Stellen sind die steilen Talhänge und auch der Talboden von ausgedehnten Bergrutschmassen bedeckt. Anderenorts, wie hier auf den Aufnahmen bei genauerer Betrachtung gut zu sehen, scheinen die Hänge vor allem von mächtigen Windablagerungen bedeckt zu sein. Die regelmäßigen linearen Strukturen an den Talhängen am rechten und linken Bildrand können als Dünenkämme interpretiert werden. An einigen Stellen wurden die Sande hangabwärts verfrachtet, während an anderen Stellen sogar ein hangaufwärts gerichteter Transport der Dünensande stattfand, wie an der Ausrichtung der Kämme abzulesen ist.

                                       

Noctis Labyrinthus Farbkodiertes Höhenmodell
Noctis Labyrinthus Farbkodiertes Höhenmodell
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In jedem Fall sind diese vom Wind geschaffenen Oberflächenstrukturen nicht mehr aktiv: Dies verrät nicht nur die gleichmäßige Bedeckung mit dem rötlichen Marsstaub (aktive Dünen würden auf dem Mars eine schwärzlich-graue Farbe aufweisen, da sie meist aus alter vulkanischer Asche bestehen), sondern auch das Vorhandensein von einigen kleinen Einschlagskratern, wie sie zum Beispiel am unteren rechten Bildrand entdeckt werden können. Würde ein Meteorit auf einen aktiven Dünenkörper treffen, so würde in dem losen Feinmaterial kein Einschlagskrater entstehen können, da der lose Sand in die entstehende Vertiefung rieseln und sie somit sofort wieder verfüllen würde. Außerdem würde jede dabei zurückbleibende Vertiefung durch den vom Wind bewegten Sand alsbald wieder verwischt werden. Sind Dünen jedoch sehr alt und im Zuge dessen auch verfestigt, so kann es tatsächlich sein, dass Meteoriten kleinere Krater hinterlassen können. Würde man die Kratergrößen und deren Häufigkeiten genau messen, könnte man das ungefähre Alter der Sanddünen ermitteln. Die geringe Anzahl und Größe der Krater deuten hier auf ein relativ junges Alter der Dünen hin.

                       

Noctis Labyrinthus Anaglyphe
Noctis Labyrinthus Anaglyphe
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Bildverarbeitung und das HRSC-Experiment auf Mars Express

Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 15. Juli 2015 während Orbit 14.632 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 16 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 6 Grad südlicher Länge und 265 Grad östlicher Breite. Die Farbaufsicht (Bild 2) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht (Bild 1) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 4), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht (Bild 3) beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.

  

Mapserver

Um bereits veröffentlichte Rohbilder und digitale Geländemodelle der Region im GIS-kompatiblen Format herunterzuladen, benutzen Sie bitte diesen Link zu unserem Mapserver.

  

Bildrechte

Images: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Copyright Notice:
Where expressly stated, images are licenced under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 IGO (CC BY-SA 3.0 IGO) licence. The user is allowed to reproduce, distribute, adapt, translate and publicly perform it, without explicit permission, provided that the content is accompanied by an acknowledgement that the source is credited as 'ESA/DLR/FU Berlin', a direct link to the licence text is provided and that it is clearly indicated if changes were made to the original content. Adaptation/translation/derivatives must be distributed under the same licence terms as this publication.


Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und elf Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.