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Tektonischer Stress auf dem Mars - die Horst- und Grabenlandschaft von Ascuris Planum

Die aktuellen Bilder, aufgenommen von der hochauflösenden Stereokamera HRSC an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen einen Teil der Ascuria Planum Region auf dem Mars. Dieses Gebiet ist ein sehr anschauliches Beispiel für eine Horst- und Grabenlandschaft auf dem Mars. Mitarbeiter der Fachrichtung Planetologie und Fernerkundung der Freien Universität Berlin erstellten die hier gezeigten Bildprodukte. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof.

   

Ascuris Planum Perspektive
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Verglichen mit der Physik, der Mathematik oder der Astronomie ist die Geologie eine junge Wissenschaft. Sie entwickelte sich erst in den letzten paar Jahrhunderten zu einem eigenen Forschungszweig, der auf den Erfahrungen bei der Suche nach Rohstoffen und Erzen gründete. Diese fand in Europa vor allem in den Mittelgebirgen im Zentrum des Kontinents und den Alpen statt, weshalb zahlreiche deutsche Fachbegriffe Eingang in die heute überwiegend englische geologische Fachterminologie fanden. Ein besonders markantes Beispiel hierfür ist das Wortungetüm „Horst- und Grabenstruktur“. Dieses auffällige tektonische Phänomen findet man auf dem Mars an zahlreichen Stellen.

 

Ein sehr anschauliches Beispiel für eine Horst- und Grabenlandschaft ist das Gebiet Ascuris Planum, das auf diesen Bildern zu sehen ist. Es liegt im Nordosten der großen Vulkanregion Tharsis, wo es viele weitere solcher geologischen Strukturen gibt. Die Tharsis-Region hat einen Durchmesser von mehreren tausend Kilometern und besitzt eine schildförmige Aufwölbung von etwa fünf Kilometern, die im Laufe von mehreren Milliarden Jahren entstanden ist. Dadurch kam es zu massiven Dehnungsspannungen, die große Regionen in Horst- und Graben-Landschaften verwandelten.

                 

Ascuris Planum Farbaufsicht
Ascuris Planum Farbaufsicht
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Wie entstehen Horst-Graben-Strukturen?

Wird eine starre, spröde Gesteinskruste gedehnt, beispielsweise weil der Untergrund angehoben wird, gerät die darüber liegende Oberfläche unter Spannung. Steigt die Dehnungsspannung über die für das Gestein „erträglichen“ Grenzwerte, kommt es zu einem Aufbrechen der Kruste: Eine Störungszone entsteht. Dehnt sich die Kruste weiter, rutschen große Gesteinsblöcke entlang der Dehnungsbrüche mehrere hundert Meter oder auch mehr als einen Kilometer in die Tiefe – über viele Millionen Jahre entsteht so ein tektonischer Graben. Die zu beiden Seiten stehen gebliebenen Blöcke überragen nun die Landschaft und bilden die dazu gehörigen Horste.

 

Ascuris Planum ist eine Landschaft mit vielen interessanten geologischen Aspekten. Neben der komplexen Tektonik sind insbesondere die vulkanischen Phänomene von Interesse. Vulkanismus hat überall in der Tharsis-Region eine „große“ Rolle gespielt: In unmittelbarer Nachbarschaft zu Ascuris Planum schließt sich im Westen mit Alba Patera einer der größten Vulkane auf dem Mars an. Auch zahlreiche kleinere Schildvulkane befinden sich in dieser Gegend, wie zum Beispiel der Labeatis Mons (siehe Übersichtskarte).

 

Die geradlinigen bis leicht gekrümmt verlaufenden Störungen, die ursächlich für die Horst- und Grabenlandschaft sind, fallen hier besonders markant ins Auge. Es handelt sich bei Ascuris Planum um einen Teil der Marskruste, die über einen sehr langen Zeitraum der Marsgeschichte unter hohem tektonischem „Stress“ gestanden haben muss. Die meist parallelen Gräben haben einen Verlauf von Nordosten nach Südwesten. Allerdings gibt es auch Gräben, die diese Hauptrichtung schneiden. Dies weist auf eine Veränderung im „Stress-Regime“ hin, wie die Geologen solche Krustenspannungen beschreiben. In der linken Bildhälfte (Bilder 2, 3 und 4) sehen die Kanten der Gräben frischer und weniger stark erodiert aus. Auf den höchsten Erhebungen – die am besten im Farbkodierten Höhenmodell (Bild 3) zu erkennen sind – finden sich einige erstarrte Lavaströme. Solche Lavaströme könnten entlang der Störungslinien ausgetreten sein, so wie es heute zum Teil auch auf den Hawaii-Inseln geschieht.

                          

Ascuris Planum Farbkodiertes Höhenmodell
Ascuris Planum Farbkodiertes Höhenmodell
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Grubenkrater-Ketten – Hinweis auf Lavaströme oder Wasser

In der rechten Bildhälfte (Bilder 2, 3 und 4) existieren einige parallel verlaufende Gräben und ein Einschlagskrater, dessen Kraterwand eine Öffnung aufweist. Der Krater ist also älter, als die tektonischen Brüche. Anhand solcher Beobachtungen lassen sich die geologischen Abläufe bis zu einem gewissen Grad zeitlich einordnen. Auffallend ist auch eine Aneinanderreihung von einzelnen, kreisrunden kesselartigen Vertiefungen, Gruben mit steilen Wänden, die sich entlang von weiteren Störungslinien in der spröden Kruste gebildet haben. Die Geologen sprechen hier von Grubenkrater-Ketten. Sie treten häufig auf den Flanken von flachen Schildvulkanen auf und könnten den Verlauf von früher existenten Lavakanälen unter der Oberfläche anzeigen. Im Laufe der Zeit stürzen Teile der Gesteinsdecke über solchen entleerten Lavakanälen ein und bilden so dieses Muster. Auch dieses Phänomen findet sich auf der Erde an verschiedenen Stellen, beispielsweise auch auf Hawaii.

 

Doch es gibt auch andere Erklärungsversuche für diese Grubenkrater-Ketten, die nicht im Zusammenhang mit Vulkanismus stehen. Sie haben den Ansatz, dass die Kruste gedehnt wurde. Dadurch entstanden diese Vertiefungen, in die anschließend Material hineinrutschte. Auch Grundwasser könnte bei der Entstehung dieser Strukturen eine Rolle gespielt haben: Auf der Erde treten solche Aneinanderreihungen von „Löchern“ in einer ansonsten intakten Landschaft insbesondere in den Kalkgebirgen auf und werden als Dolinen bezeichnet. Das sind kreisrunde Vertiefungen, wie sie beispielsweise in den Karstlandschaften in Südosteuropa oder auf der Schwäbischen Alb häufig anzutreffen sind. Sie entstehen, wenn das Kohlendioxid der Luft sich mit Wasser zu Kohlensäure verbindet, das wiederum als Oberflächenwasser das Kalkgestein angreift und durch Sickerwasser im Untergrund Höhlen entstehen lässt. Die Höhlendecken stürzen wiederum ein, wenn diese nicht mehr tragen. Zwar gibt es auf dem Mars keine Kalkgesteine, aber durchaus auch wasserlösliche Ablagerungen, beispielsweise in Form von Sulfaten, die an vielen Stellen auftreten, an denen Wasser vorhanden war.

                

Ascuris Planum Anaglyphe
Ascuris Planum Anaglyphe
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Bildverarbeitung und das HRSC-Experiment auf Mars Express

Die Aufnahmen mit der HRSC (High Resolution Stereo Camera) entstanden am 10. November 2014 während Orbit 13.785 von Mars Express. Die Bildauflösung beträgt etwa 18 Meter pro Bildpunkt (Pixel). Die Bildmitte liegt bei etwa 281 Grad östlicher Länge und 39 Grad nördlicher Breite. Die Farbaufsicht (Bild 2) wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche gerichteten Nadirkanal und den Farbkanälen der HRSC erstellt; die perspektivische Schrägansicht (Bild 1) wurde aus den Stereokanälen der HRSC berechnet. Das Anaglyphenbild (Bild 4), das bei Betrachtung mit einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Die in Regenbogenfarben kodierte Aufsicht (Bild 3) beruht auf einem digitalen Geländemodell der Region, von dem sich die Topographie der Landschaft ableiten lässt.

  

Mapserver

Um bereits veröffentlichte Rohbilder und digitale Geländemodelle der Region im GIS-kompatiblen Format herunterzuladen, benutzen Sie bitte diesen Link zu unserem Mapserver.

  

Bildrechte

Images: ESA/DLR/FU Berlin, CC BY-SA 3.0 IGO

Copyright Notice:
Where expressly stated, images are licenced under the Creative Commons Attribution-ShareAlike 3.0 IGO (CC BY-SA 3.0 IGO) licence. The user is allowed to reproduce, distribute, adapt, translate and publicly perform it, without explicit permission, provided that the content is accompanied by an acknowledgement that the source is credited as 'ESA/DLR/FU Berlin', a direct link to the licence text is provided and that it is clearly indicated if changes were made to the original content. Adaptation/translation/derivatives must be distributed under the same licence terms as this publication.


Die High Resolution Stereo Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern gebaut (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Das Wissenschaftsteam unter Leitung des Principal Investigators (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann besteht aus 52 Co-Investigatoren, die aus 34 Institutionen und elf Nationen stammen. Die Kamera wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben.