Springe direkt zu Inhalt

Prof. Dr. phil. Bernard Krebs

KREBS

ehemaliger Mitarbeiter [1971 - 1999][†]

 * 19.9.1959
† 15.6.2012

BERNARD KREBS lebt nicht mehr. In Frankreich (Chanceaux bei Dijon, Burgund) verstarb am 29. März 2001 mit ihm ein international bekannter sowie geachteter Naturwissenschaftler, der sich mit seinen paläobiologischen Forschungen ganz der Wirbeltier-Paläontologie verschrieben hatte. Vor allem seine Publikationen über den frühen Archosaurier Ticinosuchusferox ( 1965) und das frühe Säugetier Henkelotherium guimarotae (1991) sind nicht nur Meilensteine der Literatur unseres Wissensgebietes, sondern bilden auch die soliden wissenschaftlichen Eckpfeiler seiner beruflichen Laufbahn.

BERNARD KREBS wurde am 9. Juni 1934 in Basel als Sohn einer gut situierten alt-elsässischen Familie geboren. Ein älterer Bruder war bereits mehrere Jahre vor seiner Geburt verstorben. Eine jüngere Schwester erblickte vier Jahre später das Licht der Welt. BERNARD KREBS wuchs sehr behütet und ohne Sorgen im Haus seiner Eltern in Mulhouse auf und zeigte mit dem Sammeln und Archivieren von Fossilien sowie rezenten Tierresten und Pflanzen der Umgebung bereits in jungen Jahren naturwissenschaftliche Neigungen bzw. eine Liebe zur Natur. Der Umgang mit den biologischen Funden sowie mit seinem Spielzeug geschah bereits mit der ihm eigenen sorgfältigen Umsicht, die auch für seine späteren wissenschaftlichen Aktivitäten charakteristisch werden sollte.

Mit dem Beginn der Schulzeit ( 1940) machte BERN ARD KREBS, der zuhause bis dahin ausschliesslich französisch gesprochen hatte, auf unliebsame Art mit der deutschen Sprache Bekanntschaft. Das Elsass war von Deutschland besetzt, die französische Sprache über Nacht verboten worden. Bei Zuwiderhandlungen drohte die Deportation. Selbst der private, familiäre Bereich war von dieser Maßnahme nicht ausgenommen. Außerdem waren Hausinstallationen bzw. Gegenstände des täglichen Lebens mit französischen Bezeichnungen sowie der Besitz französischer Bücher nicht erlaubt. Die Beachtung dieser Anordnungen wurde mit unangemeldeten Hausdurchsuchungen kontrolliert. Sogar die französischen Aufschriften auf den Kanaldeckeln „Ville de Mulhouse" waren verboten und wurden unkenntlich gemacht. Der Schulunterricht in der Volksschule wurde ebenfalls auf Deutsch abgehalten und begann mit einem „Heil" auf den Führer.

1944 nahmen die Bombenangriffe auf Mulhouse zu und die Front rückte näher. Aus diesen Gründen fiel der Unterricht schließlich aus. Als die Kampflinie im Winter 1944/45 längere Zeit durch die Stadt verlief, wurden die Kinder der bereits befreiten Seite, darunter auch BERNARD KREBS und seine Schwester, mit dem Bus nach Basel evakuiert, in der Hoffnung, dass sich dort Schweizer Familien für eine Betreuung finden lassen würden. Die KREBS-Kinder hatten Glück. Sie wurden von einer Bekannten der Familie ausfindig gemacht, die sie vier Monate lang im Prättigau, Kanton Graubünden, betreute. Nach der Befreiung, zurück in Mulhouse, besuchte BERNARD KREBS eine Übergangsklasse, um mit Hilfe des Deutschen unkundiger französischer Lehrer, die „vergessene" Muttersprache aufzufrischen. Im Herbst 1945 trat er in das Gymnasium ein, wo man seine naturkundlichen Begabungen erkannte und förderte. Damals begannen sich auch seine vielfältigen kulturhistorischen Interessen zu entwickeln, die ihn zeitlebens begleitet haben und denen er sich bis zuletzt ausgiebig widmete. Zunächst waren dies die klassische Archäologie und die romanische Architektur. Auf einer von einem Schulgeistlichen organisierten Reise in das vom Bürgerkrieg gezeichete Spanien hatte er eine erste Gelegenheit den mediterranen Raum zu erleben. Dabei erwachte sein „Drang nach Süden". Es folgten mehrere Italienreisen.

1952 schloss BERNARD KREBS das Gymnasium mit einem Abitur (Baccalaureat) in naturwissenschaftlicher Richtung ab und begann ein Studium an der Universität Strasbourg mit dem Ziel, die „Licence es Sciences" zu erwerben. Dieses sehr Mathematik- und Physik-lastige Studium brach er jedoch 1955, nach sechs Semestern, ab und trat, auf Wunsch seiner Eltern, als Volontär in eine Schweizer Textilfabrik in Zofingen, Kanton Aargau, ein. Es war der letzte Versuch der Eltern, ihn für das Familiengewerbe, die Herstellung von Appretur für den Stoffdruck in der zu jener Zeit bereits im Niedergang befindlichen elsässischen Textilindustrie zu gewinnen. Auch sein Großvater, ein autoritärer Patriach im klassischen Sinn, hatte vergeblich gehofft, BERNARD KREBS würde, genauso wie sein Vater, in den Mulhouser Familienbetrieb eintreten, um ihn weiterzuführen.

Das Volontariat in der Aargauer Textilfabrik interessierte BERNARD KREBS allerdings nur wenig und so besuchte er von Zofingen aus Veranstaltungen an der Universität Basel, indem er Vorlesungen des Zoologen ADOLF PORTMANN und des Paläontologen MANFRED REICHEL hörte.

Die Aufmerksamkeit von BERN ARD KREBS wandte sich immer mehr der Wirbeltier-Paläontologie zu und 1956 begann er am neu gegründeten Paläontologischen Institut und Museum der Universität Zürich unter der Leitung von EMIL Kut-IN-SCHNYDER, dem ersten Direktor, dieses Fach zu studieren. Den Besuch der geowissenschaftlichen Veranstaltungen des Studienganges beschränkte er von Anfang an auf das Notwendigste. Dafür befasste er sich um so ausgiebiger mit den biowissenschaftlichen Nebenfächern, nämlich der Zoologie, der Anthropologie und der systematischen Botanik. Hinsichtlich der Zoo-logie bedauerte er später immer wieder, dass sich die Zürcher Zoologen um ERNST HADORN nur mit Genetik beschäftigt und darüber die funktionelle Anatomie vernachlässigt hatten, worunter auch seine eigene Schulung auf diesem Gebiet litt. Für einen gewissen Ausgleich sorgte der Anthropologe ADOLPH HANS ScHULTZ, bei dem er das Vermessen und Auswerten von Skeletten lernte. Ausserdem hörte BERNARD KREBS „mit Begeisterung" Vorlesungen des Kunsthistorikers PETER MEYER und nährte so nicht nur seine geschichtlichen Interessen, sondern beteiligte sich damit auch an einer in den Naturwissenschaften damals selbstverständlichen Gepflogenheit, dem noch weit verbreiteten, fakultätsübergreifenden Besuch von Lehrveranstaltungen im Sinn eines studium generale.

In den Sommern 1958 und 1960 nahm BERNARD KREBS an den Grabungen des Zürcher Universitätsinstitutes in der marinen Mitteltrias des Monte San Giorgio im Kanton Tessin teil. Unter 'der Leitung von EMIL KUHNSCHNYDER erarbeitete er zwei „Gesellenstücke": Die Beschreibung und Diskussion eines oberkarbonischen Acanthodier-Stachels aus England und von marinen Krokodilier-Resten der ,._,uccu.us Steneosaurus aus dem oberen Jura von Dielsdorf, Kanton Zürich. An den Wirbeln der letzteren stellte er innovative Betrachtungen über die Tauchmöglichkeiten dieses Reptils an. Dann konnte er sich ohne den Umweg über ein Diplom direkt seiner Dissertation widmen, eine Studienplanung, die in Zürich seit längerem nicht mehr möglich ist.

Als Doktorarbeit, die 1965 publiziert wurde, untersuchte BERNARD KREBS das Skelett des einzigen großen Landraubsauriers, der in der marinen Mitteltrias des Monte San Giorgio gefunden worden war und kam zu stark beachteten Ergebnissen. Er nannte die Form Ticinosuchus ferox und stellte fest, dass es sich bei ihr um einen echt schreitenden, quadrupeden Pseudosuchier handelt. Außerdem entdeckte er bei diesem Reptil mit fortschrittlichem Bewegungsapparat den crocodiloiden Tarsus, der es von der Vorfahrenschaft der Dinosaurier und Vögel ausschließt und mit dessen Hilfe eine Großeinteilung der Archosaurier möglich wurde. In demselben Zusammenhang wies er auch darauf hin, dass es sich bei Ticinosuchus um einen möglichen Erzeuger der Chirotherium-Fährten handelt. Später (1976) fasste er seine Kenntnisse über Pseudosuchier in einer Gesamtdarstellung dieser Reptilien im Band ,,Thecodontia" des „Handbuches für Paläoherpetologie" zusammen. Die Dissertation wurde unter intensiver Betreuung des Doktorvaters, EMIL KUHN-SCHNYDER, durchgeführt, was für BERNARD KREBS ebenso beschwerlich wie fruchtbar war. Während seiner Zeit in Zürich wandte sich BERNARD KREBS auch verstärkt einer weiteren historischen, bereits damals „alten Liebe" zu, der Geschichte des Eisenbahnwesens, unter besonderer Berücksichtigung der Straßenund Schmalspurbahnen. Er begann historische Spielzeug- Eisenbahnen zu sammeln, die in den Schränken des Doktoranden-Zimmers, einem heute noch am Institut vorhandenen, für mehrere Peronen eingerichteten Raum, einigen Platz beanspruchten. Er konnte dies tun, weil es zu den Gepflogenheiten von EMIL KuHN-SCl-INYDER gehörte, jeweils nur einen Doktoranden, nicht mehreregleichzeitig, zu betreuen. Das ganze Zimmer stand BERNARD KREBS, dem ersten der wenigen PaläontologieSchüler von EMIL KUHN-SCHNYDER, zur Verfügung und der Lehrer stellte fest: ,,Herr KREBS hat sich ausgedehnt wie ein Gas in einem luftleeren Raum."

1963 promovierte BERNARD KREBS an der Universität Zürich mit Auszeichnung. Anschließend sollte er, im Rahmen eines bereits bewilligten Stipendiums, bei JEANPIERRE LEHMAN am Museum d'Histoire Naturelle in Paris als „These de Doctorat" Fische vom Monte San Giorgio bearbeiten. Dazu kam es jedoch nicht, da ihm WALTER GEORG KüHNE eine Assistentenstelle am neu gegründeten Lehrstuhl für Paläontologie der Freien Universität Berlin anbot. Da es BERNARD KREBS jedoch nach Süden zog und er, wie er manchmal erzählte, selbst die nördlichen Stadtteile von Zürich mied, kam für ihn trotzdem zunächst nur Paris in Frage und nicht die von einer Mauer umgebene deutsche Stadt. Auf drängenden Rat seines Lehrers EMIL KUHN-SCHNYDER, der der Meinung war, dass eine Assistentenstelle einem Stipendium in jedem Fall vorzuziehen sei, ging er schließlich doch nach Berlin. Gegenüber seinen eigenen Schülerinnen und Schülern zeigte er als Professor später den gleichen Weitblick. Die zu seiner Studienzeit einzige weibliche Angestellte des Zürcher Institutes, ELISABETH EGGENBERGER, die er inzwischen geheiratet hatte, nahm er mit.

In Berlin traf BERNARD KREBS mit seiner Frau Anfang 1964 ein. Eigentlich wollte er nur wenige Monate bleiben. Daraus wurden dann jedoch mehr als 35 Jahre. Wider Erwarten war vom Beginn ihres Aufenthaltes an das Leben in der geteilten Stadt mit ihrem charakteristischen toleranten Klima angenehm. Zwischen den Paläontologen herrschte eine offene Atmosphäre und mit WALTER GEORG KüHNE ergaben sich fruchtbare Diskussionen. In der Freizeit wurde das Netz der Berliner Straßenbahn erkundet, die im Westteil der Stadt zwar in ständigem Linien-Abbau begriffen war, aber noch bis in die zweite Hälfte der sechziger Jahre fuhr. Dem jungen Paar ging es in Berlin gut, es wurden zwei Töchter und zwei Söhne geboren.

Am Lehrstuhl für Paläontologie der Freien Universität Berlin übernahm BERNARD KREBS in der Lehre zunächst Verpflichtungen als „Vorlesungsassistent". Weiter hielt er Spezialvorlesungen. Letztere auf die weitsichtige Forderung von WALTER GEORG KüHNE hin jeweils über die Tiergruppe, von der er am wenigsten wusste. Er begann, nach eigenem Bekunden, ,,klopfenden Herzens" mit den Echinodermen, stellte dann aber bald fest, dass die Voraussage eines Kollegen, dass damit kein Semester zu füllen sei, nicht zutraf. Daneben baute er mit der von ihm bekannten Umsicht eine Fachbibliothek auf, eine erste selbst gestellte Aufgabe, der er sich auch als Professor noch mit Hingabe widmete. In den ersten Jahren standen hierfür beträchtliche Berufungsmittel von WALTER GEORG KüHNE zur Verfügung, die dieser nicht in Anspruch nehmen wollte.

Auch sonst war BERNARD KREBS am Aufüau des 1963 gegründeten Lehrstuhles für Paläontologie, aus dem 1971 ein selbständiges Institut für Paläontologie hervorging, maßgebend beteiligt. In der Lehre wurde das gesamte Spektrum der Paläontologie angeboten, daneben standen aber der ganze Stab des Institutes wie auch der technische Apparat völlig im Dienst der Erforschung mesozoischer Landwirbeltiere. Vier Professoren und ein Kustode waren für den Forschungsprojekt-Schwerpunkt „Paläontologische Analyse nichtmariner mesozoischer Sedimentationsräume im Hinblick auf die Evolution kleiner Tetrapoden, insbesondere der Säugetiere" tätig. Ihrem Einsatz und ihren Erfolgen ist es zu verdanken, dass in Berlin ein Zentrum für Wirbeltier-Paläontologie von internationaler Bedeutung entstand.

In der Forschung befasste sich BERNARD KREBS in Berlin anfänglich weiterhin mit mesozoischen Krokodiliern, indem er Schädekeste und Zähne einer großen Form aus der oberjurassischen Kohlengrube Guimarota in Portugal untersuchte. Er war in der Lage zu zeigen, dass es sich dabei um Funde der Gattung Machinzosaurus handelt und stellte die marine Lebensweise dieses Krokodiliers fest. Weiter legte er eine überzeugende Schädelrekonstruktion für die bis dahin nur durch Zähne bekannte Gattung unsicherer Stellung vor, mit der sie systematisch eingeordnet werden konnte.

Zusätzlich zur Beschäftigung mit Archosauriern begann sich BERNARD KREBS, auf Anregung und unter der Anleitung von WALTER GEORG KüHNE, in das Fachgebiet der mesozoischen Säugetiere einzuarbeiten, wobei er sich vor allem auf die Pantotherier konzentrierte. Er wies im Unterkiefer dieser Mammalier rudimentäre reptilische Elemente nach und führte funktionsmorphologische Gebiss-Analysen durch.

Schließlich engagierte sich BERNARD KREBS, zusammen mit anderen Wirbeltier-Paläontologen der Freien Universität, bei der Prospektion nach weiteren Dokumenten zur frühen Stammesgeschichte der Säugetiere. WALTER GEORG KÜHNE hatte als erster die gezielte Suche nach solchen Resten gefordert und in der Absicht, höffige Lokalitäten zu finden, mit seinem Team Frankreich, Spanien, Portugal und Marokko bereist. Diese Unternehmungen kamen BERN/\RD KREBS „Drang nach Süden·· sehr entgegen. Mit der Zeit ergab sich zwischen BERNARD KREBS und dem Assistenten und späteren Professor am Berliner Institut für Paläontologie SIEGFRIED HENKEL eine sehr gute Zusammenarbeit. Als immer klarer wurde, dass nur systematische Grabungen phylogenetisch aussagekräftiges Material liefern können, wurde der einmal eingeschlagene Weg von den beiden ohne WALTER GEORG KüHNE, der sich anderen Problemen zugewandt hatte, konsequent weiterverfolgt. Für ihr Vorhaben wählten sie die erfolgversprechendste Funclstelle, die von WALTER GEORG KüHNE in früheren Jahren entdeckte oberjurassische Kohlengrube Guirnarota in Portugal, aus der bereits vollständigere Säugetier-Funde vorlagen. Sie beschlossen, das bereits aufgelassene Bergwerk zu rein paläontologischen Zwecken wieder zu eröffnen. Dabei ergänzten sich die beiden geradezu ideal. Während BERNARD KREBS vor allem die Antragstellung bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und den Schriftverkehr mit den wissenschaftlichen Institutionen übernahm, führte SIEGFRIED HENKEL in der klassischen, großbürgerlichen Kleidung des südeuropäischen Patrons die schwierigen Verhandlungen mit eiern Eigentümer des Grubengeländes, einem Grossgrundbesitzer alter Schule, und trieb die technischen Vorbereitungen voran. Die dann folgende Aufwältigung der Grube Guimarota und die dortige zehnjährige Grabungskarnpagne von 1973 bis 1982 gehören zu den größten paläontologischen Unternehmungen des 20. Jahrhunderts und zu den wichtigsten paläontologischen Grabungen überhaupt. Die Lokalität hat sehr reiches Fossilmaterial von höchstem wissenschaftlichen Wert geliefert.

Als Folge der Studentenunruhen von 1968 wurde die Freie Universität reformiert. Hierfür setzte sich BERNARD KREBS zunächst ebenfalls mit großem Engagement ein, was sehr viel Zeit und noch mehr Kraft kostete. Ernüchtert hat ihn dann die Politisierung der Hochschule und die Konfrontation mit Extremisten. Frustriert erzählte er auch später noch von sowohl endlosen als auch fruchtlosen nächtlichen Diskussionen, die selbst in den Morgenstunden nicht abgeschlossen, sondern nur unterbrochen und vertagt wurden, um dann in den nächsten Nächten weiterzugehen.

1969 erfolgte, auf Drängen von Kollegen, die ohnehin geplante Habilitation kumulativ, um die personelle Struktur des künftigen Institutes für Paläontologie zu sichern. 1970 wurde BERNARD KREBS am nun selbständigen Institut zum wissenschaftlichen Rat und Professor, 1971 zum Professor ernannt und gleichzeitig, obwohl weiterhin französischer Staatsbürger, als deutscher Beamter vereidigt. Das Jahr 1977 brachte eine harte Enttäuschung, als die bereits als sicher geltende Berufung zum ordentlichen Professor wegen eines plötzlichen Senatswechsels (Berliner Regierung), der zur Folge hatte, dass Hausberufungen grundsätzlich abgelehnt wurden, nicht zustande kam. Das paläontologische Ordinariat blieb unbesetzt und BERNARD KREBS amtete mehr als zehn Jahre als geschäftsführender Direktor des Institutes. Außerdem war er jahrelang Mitglied des Fachbereichsrates und der Forschungskommission, von letzterer auch Vorsitzender. Die zunehmende politische und gesellschaftliche Polarisierung der Hochschule führte bei ihm jedoch zur Ernüchterung und zu dem Vorsatz, sich künftig wieder vermehrt der Forschung zu widmen. Letzteres ließ sich jedoch wegen der Mehrbelastung durch die ersatzlose Emeritierung von WALTER GEORG KüHNE und dem allzu frühen Tod von SIEGFRIED HENKEL zunächst kaum realisieren. Viele Jahre war BERNARD KREBS Mitglied des Fördererkreises der naturwissenschaftlichen Museen Berlins und lange auch dessen Vorsitzender. Erst 1991 erschien daher die in Fachkreisen seit langem erwartete Monographie über das bereits 1977 in einer vorläufigen Mitteilung angekündigte, erste vollständige Skelett eines oberjurassischen Säugetieres. Dabei handelt es sich um den sensationellsten Fund aus der Grube Guimarota, der, dem verstorbenen Kollegen SIEGFRIED HENKEL zu Ehren, den wissenschaftlichen Gattungsnamen Henkelotherium erhielt und das Wirbeltier-paläontologische Lebenswerk von BERNARD KREBS krönt.

Die Liste der Veröffentlichungen von BERN/\RD KREBS ist relativ kurz. Einerseits wurde er während seiner Laufbahn zu sehr von forschungsfrernden Aufgaben in Anspruch genommen. Vor allem aber verhinderten sein Perfektionismus und seine schonungslose Selbstkritik das Herausgeben einer größeren Zahl von Publikationen. Seine Devise war: ,,Wenig aber gut"! Und wenn sich trotz aller Sorgfalt in seinen Schriften ein Irrtum oder Druckfehler einschlichen, empfand er das als Frustration. Seinen letzten grossen Wurf, die Publikation über das frühe Säugetier Henkelotheriurn guirnarotae (1991), die auf heftiges Drängen von Fachkollegen während einer Phase angespannter anderer Beanspruchungen entstanden ist, bezeichnete er als „Torso". Aus Zeitmangel hatte er dabei auf manche geplante vergleichend-anatomische und funktionsrnorphologische Studie verzichtet.

1991 beteiligte sich BERNARD KREBS an einer Expedition zu neu entdeckten Fundstellen terrestrischer Wirbeltiere in der Oberkreide des Sudan. Die erhofften Säugetier-Reste blieben zwar aus. Dafür erlaubt das auch anlässlich weiterer Expeditionen gesammelte, umfangreiche Fundrnaterial bedeutende Aussagen zur Paläogeographie Nordafrikas.

Von 1992 bis 1996 war BERNARD KREBS Fachgutachter für die DFG. In diese Zeit fiel auch die Mitherausgabe eines Buches über die Fundstelle Guimarota, dessen Erscheinen im Herbst 2000, allerdings vorerst in englischer Übersetzung, er erleben durfte. Während seines letzten Dienstjahres beteiligte sich BERNARD KREBS an dem 1998 am Museum für Naturkunde der Humboldt Universität zu Berlin eingerichteten Graduiertenkolleg „Evolutive Transformationen und Faunenschnitte".

Seine Arbeit als Hochschullehrer hat BERNARD KREBS bis zu seiner Pensionierung im Oktober 1999 ebenfalls sehr ernst genommen. Seine Vorträge waren hervorragend. Seine Vorlesungen bestachen nicht nur durch gute Ausarbeitung und geschliffene Rede, sondern hatten auch eine sehr persönliche Note, da er alle benutzten Schemata, wie zum Beispiel Baupläne der behandelten Tiergruppen, während der Veranstaltung mit eigener Hand an die Tafel zeichnete. Durch das gewissermaßenerzwungene Abzeichnen kamen die Studierenden eingehend mit dem Stoff in Kontakt. so dass ihnen beträchtliche paläontologische Grundkenntnisse mit auf den Weg gegeben wurden. Trotz all dieser Bemühungen stellte sich der wissenschaftliche Nachwuchs im Fach Wirbeltier- Paläontologie zunächst nur zögernd ein. In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre bildete sich an der Freien Universiät Berlin dann aber eine, in wechselnder Zusammensetzung bis heute existierende, aktive Gruppe vielversprechender Schülerinnen und Schüler, die sich der Wirbeltier-Paläontologie verschrieben haben. Um so bedauerlicher ist es deshalb, dass sich die Verhältnisse am Berliner Universitätsinstitut, nach dem Ausscheiden von BERNARD KREBS und seiner endgültigen Übersiedlung nach Frankreich, nicht in seinem Interesse entwickelt haben.

Der Person BERNARD KREBS kann man nicht gerecht werden, wenn man, neben seiner Leidenschaft für die Wirbeltier-Paläontologie, nicht auch seine anderen, fast ebenso engagiert verfolgten, zeitintensiven Interessen erwähnen würde, die der Kunst- und Baugeschichte, der Filmgeschichte und dem Eisenbahnwesen galten. Diese ausserberuflichen Aktivitäten hat er bis zuletzt ausgiebig genossen. Zu jenem Themenkreis gehört auch der Mitte der achtziger Jahre erfolgte Kauf eines alten Gutshauses mit Nebengebäuden und sehr großem, parkähnlichen Garten in Frankreich; nicht wie erst beabsichtigt in Südfrankreich, sondern in Burgund, um das Anwesen von Berlin aus in einer Tagesreise erreichen zu können. Hier verbrachte BERNARD KREBS mit seiner Frau die vorlesungsfreie Zeit sowie seinen letzten Lebensabschnitt. Es gab viel zu tun, um das von der Vorbesitzerin vernachlässigte Haus und den verwilderten Garten in den heutigen Stand zu versetzen. Es war eine Freude, wenn BERNARD KREBS voller Tatendrang sein Domizil zeigte und sowohl die bis in die Römerzeit zurückreichenden, historischen Spuren der Gemäuer als auch seine Pläne für eine sanfte, den Traditionen der Region verpflichtete Restaurierung erläuterte. Ein weiteres „Lebenswerk''! Dieses und andere, darunter auch noch berufliche Vorhaben kann er nun leider nicht mehr zum Abschluss bringen, da sein letzter Lebensabschnitt durch seinen frühen Tod ein so plötzliches Ende nahm.

Wahrscheinlich machten gerade die vielschichtigen Interessen, die alle mit großem Ernst betriebenen wurden, das Besondere von BERNARD KREBS aus. Außerdem war er ein von Grund auf liebenswürdiger Mensch, der es nie nötig hatte, sich in den Vordergrund zu drängen. Für seine Schülerinnen und Schüler war er, selbst bei Abwesenheit, eine zuverlässige Kraft, auf die sie bei beruflichen und privaten Sorgen bauen konnten. Er und seine Frau hatten für ihre kleinen und großen Nöte stets ein offenes Ohr und oft auch einen vernünftigen Rat oder fanden zumindest aufbauende Worte. BERNARD KREBS hat stets eine höfliche Distanz gewahrt rnan konnte ihm aber trotzdem sehr nahe sein. Ich bin sicher, dass ihm viele Menschen, die ihn kannten, ein ehrendes Gedenken bewahren werden. Seine wissenschaftlichen Erfolge auf dem Gebiet der Wirbeltier-Paläontologie sprechen für sich selbst und werden auch für die Nachwelt von Bedeutung sein.

Frau Krebs sei für entscheidende Hinweise zum Lebenslauf gedankt.

(Brinkmann, Winand. (2001). Bernard Krebs. Palaeontologische Zeitschrift - PALAEONT Z. 75. 1-6. 10.1007/BF03022591)

Bernard Krebs stammte aus einer elsässischen Familie und ging in Mülhausen zur Schule. Er studierte zunächst ab 1952 Naturwissenschaften an der Universität Straßburg und ab 1956 Paläontologie an der Universität Zürich mit der Promotion bei Emil Kuhn-Schnyder 1963. Gegenstand der Dissertation war der Archosaurier Ticinosuchus ferox aus der Trias der berühmten Fundstelle Monte San Giorgio im Tessin, eine Fundstelle die Kuhn-Schnyder mit seinen Schülern intensiv erforschte. Danach war er wissenschaftlicher Assistent an der FU Berlin bei Walter Georg Kühne (1911–1991), dessen Institut für Forschungen über Säugetiere des Mesozoikums bekannt war und wo er sich 1969 habilitierte. 1971 bis zur Emeritierung 1999 war er dort Professor. Eine 1977 schon als sicher gegoltene Berufung auf das Ordinariat für Paläontologie unterblieb aus hochschulpolitischen Gründen und Krebs war mehr als zehn Jahre geschäftsführender Direktor des Instituts für Paläontologie. Im Ruhestand lebte er in Chanceaux in Burgund auf einem von ihm restaurierten Landgut. Er starb an einem Schlaganfall.

Krebs leitete 1973 bis 1982 mit Siegfried Henkel die Ausgrabungen in der ehemaligen Kohlegrube Guimarota in Portugal, die sich als reiche Fundstelle insbesondere für Säugetiere des Oberjura erwies. Unter anderem fand Henkel dort 1976 das erste vollständige Skelett eines Säugetiers aus der Jurazeit, das später von Krebs – im Gedenken an Henkel – als Typusexemplar zur Gattung Henkelotherium gestellt wurde. Der Fund war schon 1977 angekündigt worden, die Monographie erschien jedoch erst 1991.

Er grub auch in Südfrankreich, Spanien, Marokko, dem Iran und im Sudan aus. Ein Schwerpunkt seiner Forschung neben Säugetieren des Jura waren spätkreidezeitliche Wirbeltiere in Afrika, wo im Sudan fossile Funde von Lungenfischen, Amphibien, Schlangen, Krokodilen und Dinosauriern gelangen. Zuvor waren aus dieser Zeit kaum Funde in Afrika südlich der Sahara bekannt.

1994/95 war er Vorsitzender des Förderkreises der Naturwissenschaftlichen Museen Berlins. Er war Mitglied des Council Scientifique de Palaeovertebrata in Montpellier.

  • Ticinosuchus ferox nov. gen. nov. sp. Ein neuer Pseudosuchier aus der Trias des Monte San Giorgio. In: Schweizerische paläontologische Abhandlungen. 81, 1965, ISSN 0080-7389, S. 1–140.
  • Zur Deutung der Chirotherium-Fährten. In: Natur und Museum. Band 96, 1966, ZDB-ID 123242-3, S. 389–396.
  • Die Archosaurier. In: Die Naturwissenschaften. Band 61, Nummer 1, 1974, S. 17–24, doi:10.1007/BF00602887.
  • Zur frühen Geschichte der Säugetiere. In: Natur und Museum. Band 105, 1975, S. 147–155.
  • Pseudosuchia. In: Oskar Kuhn (Begründer), Peter Wellnhofer (Hrsg.): Handbuch der Paläoherpetologie. Band 13: Alan J. Charig, Bernard Krebs, Hans-Dieter Sues, Frank Westphal: Thecodontia. Gustav Fischer, Stuttgart u. a. 1976, ISBN 3-437-30184-5, S. 40–98.
  • Mesozoische Säugetiere – Ergebnisse von Ausgrabungen in Portugal. In: Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde zu Berlin. Neue Folge 28, 1988, ISSN 0037-5942, S. 95–107.
  • Das Skelett von Henkelotherium guimarotae gen. et sp. nov. (Eupantotheria, Mammalia) aus dem Oberen Jura von Portugal (= Berliner geowissenschaftliche Abhandlungen. Reihe A: Geologie und Paläontologie. 133). Freie Universität – Fachbereich Geowissenschaften, Berlin 1991, ISBN 3-927541-32-X.
  • als Herausgeber mit Thomas MartinGuimarota. A Jurassic Ecosystem. Pfeil, München 2000, ISBN 3-931516-80-6.