The air and its secrets
a history of atmospheric science
Link zum Volltext (Open Access, veröffentlicht am 29.September 2025)
Wir leben am Grund eines Ozeans aus Luft – zu dieser Schlussfolgerung kam im 17. Jahrhundert der Mathematiker Evangelista Torricelli, nachdem er mit seinem neu erfundenen Quecksilberbarometer zahlreiche Experimente zum Gewicht der atmosphärischen Säule durchgeführt hatte. Dieser lebenswichtige Ozean aus Luft war und ist Gegenstand umfangreicher Forschungen. Ein neues Buch von Guy Brasseur, Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Meteorologie und am NSF-National Center for Atmospheric Research in Boulder (USA), beleuchtet dieses Gebiet aus historischer Perspektive. Es skizziert wichtige wissenschaftliche Fortschritte hinsichtlich der Entdeckung der physikalischen Eigenschaften und der chemischen Zusammensetzung der Luft sowie der dynamischen Eigenschaften der Erdatmosphäre inklusive der Entstehung von Stürmen und anderen Wetterereignissen. Es umfasst auch die Geschichte der Forschung zu den natürlichen und anthropogenen Prozessen, die für den Klimawandel, den Ozonabbau und die Luftverschmutzung verantwortlich sind. „The Air and Its Secrets“, ursprünglich auf Französisch veröffentlicht, ist nun auf Englisch als Open-Access-Publikation erschienen.
Wie ist das Buch entstanden?
Guy Brasseur: Vor einigen Jahren habe ich ein Buch über die Geschichte der Ozonforschung geschrieben. Viele Leute haben mir gesagt, dass sie es nützlich fanden, also habe ich beschlossen, den Umfang zu erweitern und einen historischen Überblick über die gesamten Atmosphärenwissenschaften zu geben. Ich habe das Buch mit mehreren Kapiteln konzipiert, die verschiedene Aspekte der Atmosphärenforschung behandeln – etwa die Luftchemie, die Meteorologie und die Klimaforschung. Dann habe ich begonnen, zu recherchieren und zu schreiben. Während der drei Jahre, die ich an diesem Buch gearbeitet habe, habe ich auch selbst viel gelernt.
Was motiviert den historischen Ansatz?
Guy Brasseur: Mir war aufgefallen, dass wir normalerweise mit einem Top-down-Ansatz unterrichten. Das heißt, wir präsentieren den Studierenden bekannte wissenschaftliche Fakten, erklären aber nicht unbedingt, welche Fortschritte dorthin geführt haben, wie Menschen Fehler gemacht und korrigiert haben und wie sie mit Kontroversen umgegangen sind. Wenn man die Entwicklung der Atmosphärenforschung nachvollzieht, wird einem bewusst, dass unser heutiges Wissen das Ergebnis jahrhundertelanger Forschung ist. Dieser Ansatz hat meine Studierenden sehr begeistert.
In dem Buch zeige ich auf, dass viele Entwicklungen durch das politische Umfeld der jeweiligen Zeit beeinflusst wurden. So wurden beispielsweise im 19. Jahrhundert meteorologische Vorhersagedienste eingerichtet, um die französischen und britischen Flotten vor der Zerstörung durch Stürme zu schützen. Die Erforschung der Dynamik und Chemie der oberen Atmosphäre wurde durch die enormen Fortschritte in der Raketen- und Satellitenentwicklung während des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Krieges möglich. Das Buch behandelt Zeiträume von der Antike bis zur Gegenwart und hebt dabei wichtige Punkte hervor. Ich habe auch versucht, den Blickwinkel zu erweitern im Bezug darauf, wo wissenschaftliche Entdeckungen gemacht wurden. Oft konzentrieren wir uns nur auf Europa und die USA, aber viele wichtige Entwicklungen fanden beispielsweise auch in Asien statt. Da ich intensiv mit chinesischen Institutionen zusammenarbeite, kenne ich diese Beiträge und habe sie in das Buch aufgenommen. Natürlich habe ich nicht alles abgedeckt. Das Buch ist keine Enzyklopädie, sondern eher ein Überblick über die allgemeine Entwicklung der Atmosphärenwissenschaft mit einigen wichtigen Schlaglichtern.
Welche Zielgruppe möchten Sie mit dem Buch erreichen?
Guy Brasseur: Das Buch richtet sich an Menschen, die keine Fachleute, sondern einfach an der Atmosphärenwissenschaft interessiert sind. Es enthält aber auch Anekdoten und zusätzliche Informationen zu bestimmten Themen für diejenigen, die sich tiefer mit dem Thema befassen möchten. Selbst als Expert*in kann man aus diesen historischen Schlaglichtern viel lernen. Wer nicht vom Fach ist, erfährt nicht nur etwas über die Geschichte, sondern lernt auch Grundlagen der Meteorologie und Atmosphärenwissenschaft.
Was ist auf dem Cover zu sehen und warum haben Sie es ausgewählt?
Guy Brasseur: Man sieht zwei Wissenschaftler, Joseph Louis Gay-Lussac und Jean-Baptiste Biot, wie sie während einer Heißluftballonfahrt im frühen 19. Jahrhundert in 7000 Metern Höhe die atmosphärischen Bedingungen messen. Sie hatten auch einen Vogel mitgebracht, dessen Zustand sie beobachteten, um sicherzustellen, dass genügend Sauerstoff vorhanden war. Dieses Bild hat mir gefallen, weil es zwei Dinge zeigt. Erstens, dass Beobachtungen wichtig sind. Zweitens, dass Forschende ein wenig abenteuerlustig sein müssen. Sie wollen dorthin gehen, wo noch niemand zuvor gewesen ist. Das erfordert natürlich ein gewisses Maß an Risikobereitschaft.
Weitere Informationen
„The air and its secrets” bei EDP Sciences (auf Englisch)
Kontakt
Prof. Dr. Guy Brasseur
Max-Planck-Institut für Meteorologie
guy.brasseur@mpimet.mpg.de
