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Arktis und Antarktis

extrem, klimarelevant, gefährdet

18.07.2022

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„Warum das Meer?“, lautete vor 30 Jahren oft die Frage nach meiner beruflichen Ausrich-
tung. Die gängigen Assoziationen mit den Ozeanen waren damals die TV-Serie „Geheim-
nisse des Meeres“ von Jacques Cousteau, Folklore in Hafenvierteln, die Badestrände Spani-
ens und Italiens oder auch maritime Sportarten. Ein bekannter deutscher Autor sagte mir
gegenüber einmal: „Das Meer interessiert mich überhaupt nicht.“ Das Meer als Ökosystem
wurde genauso wenig wahrgenommen, wie man seinen Einfluss auf unser Leben erkannte.
Das hat sich wesentlich und nachhaltig verändert. Heute verstehen wir immer noch nur
einen Bruchteil der chemischen, physikalischen und biologischen Vorgänge und Zusammen-
hänge im Meer, aber immerhin reicht das Wissen mittlerweile, um die Komplexität des
Ökosystems zu erkennen, seine Fragilität und somit den Schutzbedarf. Wir wissen zum
Beispiel um die Bedeutung und den Einfluss von Nährstoffen, die sensiblen Reaktionen der
Lebewesen auf Veränderungen des pH-Wertes oder der Temperatur. Solches Wissen zeigt
uns inzwischen deutlich, wie verletzbar das Ökosystem der Ozeane ist – und wie groß die
Verantwortung, die wir gegenüber diesem riesigen Reich tragen.
Aber auch der Einfluss der Meere auf unseren Alltag wird zunehmend deutlich und
wirkt sich immer mehr auf unser Denken aus. Nicht nur die grundlegenden Prozesse wie
Wolken- oder Sturmbildung auf hoher See oder der klimatische Einfluss des Golfstroms auf
Westeuropa, sondern auch die Folgen unseres Handelns werden zunehmend spürbar: häu-
figere Stürme an den Küsten, Überflutungen durch den sich erwärmenden Ozean, Fisch-
arten, die in kühlere Gewässer wandern – das Meer ist sichtbarer geworden.
War es vor 30 Jahren unter Meeresökologen noch verpönt, sich an die Presse zu wen-
den, ist das Konsortium Deutsche Meeresforschung heute sogar Partner des „World Ocean
Review“. Die Fortschritte in der Forschung, die öffentliche Positionierung von Wissenschaft-
lern und dass man anfängt zu begreifen, welchen immensen Einfluss die Meere auf unseren
Alltag haben, sind Zeichen, die Hoffnung machen.
Insbesondere die so fernen Gebiete der Pole, Antarktis und Arktis, sind gute Beispiele
für das oben Beschriebene. Bis vor wenigen Jahren waren dies die Reiche historischer Expe-
ditionen, wie jenen von Scott oder Amundsen, und die Heimat exotischer Pinguine oder
Eisbären. Jetzt wissen wir um die herausragende Bedeutung der Polargebiete für unsere
Klimazukunft, sind sie Sinnbilder für die Folgen unserer Industrieentwicklung, steht das
Abschmelzen des ehemals ewigen Eises für den Kontrollverlust unseres Handelns.
Im vorliegenden sechsten „World Ocean Review“ zeigen wir nicht nur viele Fakten und
Daten zu den Polargebieten, wir verdeutlichen nicht nur die erschreckende Bedrohung die-
ser sensiblen Ökosysteme, sondern wir veranschaulichen auch ihre maßgebliche Rolle für
die Lebensfähigkeit unseres Planeten in der Zukunft. Niemand wird jetzt noch behaupten
können, dass ihn die Meere nicht interessierten. Sie sind die Zukunft eines jeden Einzelne