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Projektbeschreibung

1. Problemstellung
2. Zielsetzung des Vorhabens
3. Das dezentrale und integrierte Hochwasserschutzkonzept

 

1. PROBLEMSTELLUNG

Nach den Hochwasserkatastrophen von 1897, 1932 und 1954 hat das Augusthochwasser 2002 das zunehmende Risiko verdeutlicht, das von intensiven Niederschlägen oder schneller Schneeschmelze im Erzgebirge ausgeht. Auch regional konzentrierte Ereignisse (z.B. 1931 Schwarzwassertal, 1999 Marienberg, 2000 Rübenau) hatten extreme Hochwasser zur Folge, die lokal große Schäden verursacht haben. Von meteorologischer Seite wird prognostiziert, dass generell in  Mitteleuropa diese Extremereignisse an Anzahl und Ausmaß in den kommenden Jahrzehnten zunehmen werden (MPI für Meteorologie 2004, Bárdossy & Pakosch 2005), was den großen Handlungs- und Umsetzungsbedarf verdeutlicht.

Bei diesen Extremereignissen wird das Hochwasser in erster Linie generiert in den Hochwasserentstehungsgebieten (weiterhin als HWEG bezeichnet), die sich hier zu einem großen Teil in deutsch-tschechischem Grenzgebiet befinden. Die Auflistung der enormen Schäden, die durch das Hochwasser 2002 allein auf deutscher Seite entstanden sind, verdeutlicht das Problem der Hochwasserentstehung („headwater areas“) in den oberen Einzugsgebieten. Ein eindrückliches Beispiel ist der Rübenauer Bach (ca. 8 km² im oberen EZG der Natzschung), an dem 2002 nach nur 4 km Laufstrecke bereits ein Hochwasserschaden von ca. 2 Mio. € entstanden ist (Datenbank M-Bau – Zentrale Schadenserfassung und Sanierungsmanagementsoftware, LTV Sachsen Hochwasser 2002).

Flussabwärts entlang der Natzschung nimmt das Schadensausmaß durch die Abflusskonzentration erheblich zu, ebenso wie an den anderen Zuflüssen zur Oberen Flöha oberhalb bzw. in Olbernhau (Gämmerswalder Dorfbach, Frauenbach, Mörtelbach, Schweinitz, Natzschung, Dörfelbach, Rungstockbach, Bielabach). Insgesamt wird das Schadensvolumen oberhalb von Olbernhau auf 18 Mio. € beziffert.

Für die Stadt Olbernhau sind die Extremabflüsse mit katastrophalen Folgen verbunden, weil durch die Stadt maximal ein HQ20 der Flöha schadensfrei abgeführt werden konnte (gegenwärtiges Schutzziel HQ50). Insofern beziffert sich der Gesamtschaden im Stadtgebiet Olbernhau durch das Hochwasser 2002 auf insgesamt 62 Mio. € (Schadensdatenbank und Privatschäden). Ein ähnlich hohes Gefahrenpotential verursachen die Hochwasserabflüsse an der Südabdachung auf tschechischer Seite (z.B. Prunerovsky potok).

Durch die enge kausale Verknüpfung der Abflussgenerierung in den HWEG und den daraus folgenden Hochwasserschäden entlang der Gewässer bedarf es einer verstärkten Berücksichtigung der HWEG beim Hochwasserschutz. Während zentrale Hochwasserrückhaltemaßnahmen (z.B. Talsperren) räumlich der Abflusskonzentration nachgeschaltet sind, setzt der dezentrale Hochwasserschutz stärker im Bereich der Abflussbildung auf der Fläche an.

Die Neufassung des Sächsischen Wassergesetzes weist auf die HWEG hin: „HWEG sind Gebiete, insbesondere in den Mittelgebirgs- und Hügellandschaften, in denen bei Starkniederschlägen oder bei Schneeschmelze in kurzer Zeit starke oberirdische Abflüsse eintreten können, die zu einer Hochwassergefahr in den Fließgewässern und damit zu einer erheblichen Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen können...“ (SächsWG § 100b,1). Aus diesem Grund wird dort gefordert, das „Wasserversickerungs- und Wasserrückhaltevermögen zu erhalten und zu verbessern...“ (SächsWG § 100b,2).

Die in den vergangenen Jahren – und besonders nach dem Hochwasser 2002 – erarbeiteten Hochwasserschutzkonzepte liefern wesentliche Erkenntnisse über das Niederschlag- Abfluss-Verhalten in den Einzugsgebieten des Erzgebirges und haben notwendige zentrale Hochwasserrückhaltemaßnahmen erarbeitet. Die Flächen der oberen Einzugsgebiete, besonders die Hochwasserentstehungsgebiete und die hydrologisch angeschlossenen Tiefenlinien, Entwässerungsbahnen und oberen Vorfluter verfügen aber über ein erhebliches zusätzliches Rückhaltepotential. Wenn dieses in verstärktem Maße ausgenutzt werden würde, könnte das Gefahrenpotential und das Schadensausmaß sowohl für die Unterlieger (bspw. Stadt Olbernhau), als auch in den oberen grenzüberschreitenden Einzugsgebieten der Kammlagen deutlich verringert werden.

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2. ZIELSETZUNG DES VORHABENS

Das Hauptziel der Untersuchungen ist, den grenzübergreifenden Hochwasserschutz in den Einzugsgebieten der Kammlagen des Mittleren Erzgebirges zu verbessern. Dies erfolgt unter besonderer Berücksichtigung der Gewässer zweiter Ordnung in den Teileinzugsgebieten der oberen Flöha (stromaufwärts der Stadt Olbernhau). Mit Hilfe der Maßnahmen des dezentralen, integrierten Hochwasserschutzes sollen zur Unterstützung einer umweltverträglichen nachhaltigen Entwicklung des Grenzraumes die Umweltrisiken verringert werden (Verminderung des Gefahrenpotentials durch Hochwasser). Dadurch wird ein Beitrag geleistet, die grenzüberschreitende Kooperation und Vernetzung hinsichtlich des Hochwasserschutzes weiter zu verbessern.

Zentrale Fragen der Studie:
1. Sind in den Kammlagen des Mittleren Erzgebirges die vorhandenen Potentiale zum dezentralen Hochwasserschutz ausreichend, um die Hochwasserwelle effektiv zu dämpfen und das Risikopotential maßgeblich zu mindern?

2. Welche besonderen Potentiale für den Hochwasserschutz besitzen die forstwirtschaftlich genutzten Flächen?

3. Kann angesichts des grenzüberschreitenden Charakters der Einzugsgebiete Hochwasserschutz in einer konzentrierten und koordinierten Weise über den gesamten Flussraum bewältigt werden?

4. Kann eine fachübergreifende und bilaterale Zusammenarbeit das Niveau auf dem Gebiet der Umsetzung von Hochwasserschutzmaßnahmen noch weiter verbessern?

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3. DAS DEZENTRALE UND INTEGRIERTE HOCHWASSERSCHUTZKONZEPT

Das Konzept des dezentralen und integrierten Hochwasserschutzes beinhaltet folgende Bausteine, die in Abhängigkeit der hydrologischen und geomorphologischen Gegebenheiten modular zu kombinieren sind. Selbstverständlich ist die gegenwärtige Nutzungsart bzw. angestrebte Nutzungsänderung zu berücksichtigen.

GIS-und fernerkundungsgestützte Raum- und Landschaftsanalyse
Mit Hilfe der Werkzeuge von ArcGIS und der Möglichkeiten der Aufnahmetechniken der Fernerkundung (vorhandene Luft- und Satellitenbildauswertung, Laserscanningdaten) werden die Strukturen und die Ausstattung der Untersuchungsgebiete räumlich hochpräzise in digitaler Form erfasst. Die genaue Darstellung, die Option der räumlichen Verschneidung und Abfrage der Daten bietet erst die Möglichkeit einer genauen Analyse der Gebiete hinsichtlich der Potentiale der Gebiete für die Hochwasserentstehung bzw. der Auswahl geeigneter Lokalitäten für die Bausteine des dezentralen, integrierten Hochwasserschutzes.

Veränderung landwirtschaftlicher Bearbeitungstechniken
Die Bearbeitungsart der landwirtschaftlichen Flächen hat einen sehr großen Einfluss auf die flächen- und linienhafte Abflussbildung. Während beispielsweise Pflügen das Makroporengefüge negativ beeinflusst und den Sickerwasserfluss hemmt, wirken sich landwirtschaftliche Techniken wie Grubbern wesentlich günstiger auf das Sickerwasserverhalten der Böden aus. Zusätzlich vermindern Mulchsaat bzw. Untersaat die „Planschwirkung“ der Regentropfen und vermindern so die Verschlämmung der Bodenoberfläche, die Oberflächenabfluss und Bodenerosion fördert. Die Veränderung der Nutzungstechniken finden in den Niederschlag-Abfluss-Modellierungen in quantitativer Form Eingang.

Waldumbau, Waldmehrung, Forsttechnik
Forstwirtschaftliche Maßnahmen zum Waldumbau und zur Waldmehrung bieten die Möglichkeit einer positiven Veränderung des Gebietswasserhaushaltes. Die Erhöhung der Verdunstungsleistung und eine damit einhergehende Verbesserung der Speicherfunktion des Bodens sind hier zu nennen. Eine langfristige Veränderung der Waldstruktur bietet die Möglichkeit einer positiven Änderung der Streuauflage, des Humuskörpers und der Bodenstruktur. Die Speicher- und Infiltrationsleistung des Bodens lässt sich zugunsten eines verminderten Oberflächenabflusses beeinflussen. Die Änderung des Unterwuchses und der Bodenbedeckung bereitet die Möglichkeit, durch eine Verstärkung der Bodenrauheit als auch durch eine Verstärkung einer abfedernden Wirkung gegenüber aufprallendem Wasser den Oberflächenabfluss zu mindern. Während der Waldumbau in erster Linie einen positiven Effekt auf den Gebietswasserhaushalt hat, ist die Waldmehrung im Sinne der Überführung bisher nicht oder nur marginal von der Forstwirtschaft genutzter Flächen wesentlich für die Abflussdämpfung /Scheitelreduktion von Hochwasserwellen.
Weiterhin ist die Anpassung des Maschineneinsatzes ein forsttechnischer Aspekt, der einer auflastbedingten Bodenverdichtung und damit einer Verminderung der Infiltrations- und Speicherleistung des Bodens entgegenwirken kann.

Wasserrückhalt im Bereich der Wege und Siedlungsflächen
Die Wege im Forst, in den Landwirtschafts- und Siedlungsflächen und besonders die Straßen bilden in Kombination mit der Morphometrie des Gebietes hydrologische Wegsamkeiten, die den Oberflächenabfluss direkt den Vorflutern zuführen. Entsprechende Rückhaltemaßnahmen sind mittlerweile erprobt (z.B. Mulden-Rigolen-Systeme).

Wasserrückhalt in Drainagegräben
Entwässerungsgräben, die Wald-, Flur- und Moorflächen drainieren, sorgen für schnelle Entwässerung nach intensiven Niederschlägen bzw. Schneeschmelze. Teilweise können diese Gräben durch kostengünstige aber effektive Baumaßnahmen bei Oberflächenabfluss kurzzeitig eingestaut werden. Besonders die Entwässerungsgräben in Mooren mit Querschnittsflächen von 8-10 m² und mehr (bspw. die Moosbeerheide im EZG der Natzschung) beinhalten ein erhebliches Rückhaltevolumen. Das Drainieren der Flächen bei Trockenwetterabfluss bleibt erhalten.

Laufverlängerung begradigter Gewässerabschnitte
Durch die Laufverlängerung begradigter Bach- und Flussabschnitte wird die Fließgeschwindigkeit in den Gerinnen deutlich reduziert. Dadurch werden unmittelbar die Schäden entlang der Gerinne und die Abflusskonzentration vermindert.

Erhöhung der Gerinne- und Vorlandrauheit
Die Gerinne und Vorländer verfügen häufig über eine geringe Rauheit, was zum schnellen Abfluss bzw. Durchfluss des Wassers beiträgt. Dies ist sinnvoll im Bereich von Ortschaften oder schützenswerten Objekten. Andernorts kann mit  geeigneten Maßnahmen die Rauhigkeit erhöht und damit die Abflussgeschwindigkeit reduziert werden (z.B. durch die Aufforstung einer Aue).

Anlage dezentraler, integrierter Hochwasserrückhaltebecken
Ein wesentlicher Baustein sind kleine Hochwasserrückhaltebecken, die im Anschluss an Flächen lokalisiert sind, auf denen überdurchschnittlich viel Direktabfluss generiert wird. Die Dämme mit Grundablass sind mit einer Höhe von wenigen Metern und einer hohen Fußbreite sehr gut ins Landschaftsbild eingebunden und erreichen dennoch einen hohen Stauinhalt (bis 500.000 m³) bei sehr niedrigen spezifischen Kosten (vgl. Hartmann et al. 2005). Die Einstauflächen können unterschiedlich genutzt werden (z.B. Wiesen oder FFH-Gebiete).

Anlage kaskadenförmiger Hochwasserrückhalteräume in steilem Relief
In steilem Relief sind kaskadenförmige Rückhalteräume eine Möglichkeit des dezentralen Hochwasserschutzes im Verlauf der Gerinne. Besonders für die nach Tschechien abfallenden steilen Gewässerabschnitte kann das Rückhaltepotential dieser Maßnahmen geprüft werden. Der Umbau einiger steiler Gewässerabschnitte in eine Gerinnekaskade wird seitens der tschechischen Wasserwirtschaftsverwaltung erwogen. Der Effekt ist im Rahmen eines NA-Modells zu prüfen.

Quantifizierung, Prüfung und Bewertung des Einflusses kombinierbarer Module auf den Hochwasserabfluss
Die kombinierbaren Module werden mit Niederschlag-Abfluss-Modellen als Szenarien gerechnet. Über die Modellierung lässt sich feststellen, wie sich gewählte Maßnahmenkombinationen auf den Hochwasserabfluss auswirken und wo sie lokalisiert werden sollten. Die Maßnahmen können dadurch in ihren hydrologischen Größen quantifiziert, geprüft und abschließend hinsichtlich ihrer Effizienz für den dezentralen Hochwasserschutz fachübergreifend bewertet werden, um eine verlässliche Planungsgrundlage in Form eines Maßnahmenkataloges nachweisen zu können.

Projektmanagement zur Identifizierung, Vernetzung und Integration der Raumnutzungsakteure und Nutzungsansprüche
Von besonderer Bedeutung ist die Identifikation der Nutzungsansprüche und Zielsetzungen der einzelnen Akteure. Die Anlage dezentraler Hochwasserschutzmaßnahmen impliziert eine Integration unterschiedlicher Ansprüche an die Raumnutzung. Hochwasserschutz und Naturschutz, Land- und Forstwirtschaft lassen sich nebeneinander und miteinander durchführen, ohne dass es zwingend einen Nutzungsausschluss gibt, da das Konzept als Prämisse die Nutzung vorhandener Raumstrukturen beinhaltet. Dies kann unter der Begrifflichkeit der Vernetzungseffektivität zusammengefasst werden. Dies erfordert daher ein abgestimmtes Vorgehen unter wiederkehrender Zusammenkunft aller Akteure.

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