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Microorganismen

Einfluß von allochthonen und autochthonen Mikroorganismen auf das Transportverhalten von redox-sensitiven Elementen am Beispiel des Technetiums
(Endlagerproblematik)

 

Winkler, A.; Taute, T.; Stroetmann, I.*; Maue, G.* & Pekdeger, A.

FU-Berlin, Inst. f. Geologie, Geophysik und Geoinformatik, Fachrichtung Rohstoff- und Umweltgeologie, --- Malteserstr. 74 – 100, Haus B, D – 12249 BERLIN

* TU-Berlin, Fachbereich 6: Verfahrenstechnik, Umwelttechnik und Werkstoffwissenschaften, Fachgebiet Hygiene, Amrumerstr. 32, D – 13353 BERLIN

 

Einleitung

Für die Beurteilung der Sicherheit von Endlagern werden die Deckgebirgsschichten auf Ihre Rückhaltekraft gegenüber Schadstoffen untersucht, die aus dem Endlager freigesetzt werden können. Technetium (Tc) ist in 2 Oxidationsstufen chemisch stabil. In der Stufe VII ist es so mobil, daß es in der Hydrologie als Tracer verwendet wurde, in der Stufe IV ist das Löslichkeitsprodukt mit < 10-14 mol/l äußerst gering. Tc ist mit ca. 6% an den Spaltprodukten der Kernspaltung des Urans beteiligt. Die Halbwertzeit von ca. 210.000a verdeutlicht das Gefährdungspotential, wenn es in oxischen Milieus vorkommt.

Für das redox-sensitive Radionuklid Tc wurden unter oxidierenden Bedingungen Festlegungen gemessen, die sich thermodynamisch nicht erklären lassen. Ein mikrobieller Einfluß auf das Migrationsverhalten besonders der redox-sensitiven Elemente wurde deshalb untersucht.

Durch den Vergleich von steril und unsteril durchgeführen Sorptionsversuchen konnte der starke Einfluß mikrobieller Aktivität auf die Sorption der redox-sensitiven Radionuklide Technetium und Selen belegt werden.

Die mikrobielle Besiedlung der Böden und des Wassers hatte keine meßbare Absenkung des Redoxpotentials im Makromilieu zur Folge. Eine Senkung des Redoxpotentials an Kornoberflächen kann jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Eine Untersuchung der festlegungswirksamen Mikroorganismen (allochthone oder autochthone) zeigte, daß besonders die durch die Bearbeitung eingeschleppten, allochthonen Organismen für die Immobilisierung verantwortlich waren.

Berechnungen zur Mobilität redoxsensitiver Elemente, deren Festlegung den thermodynamischen Überlegungen widerspricht, sollten nicht ohne Berücksichtigung der mikrobiell induzierten Wechselwirkungen erfolgen.

Da in der Regel weder die Probenahme, noch der Transport, die Lagerung und die Versuchsdurchführung unter sterilen Bedingungen durchgeführt wird, ist bei einem Festlegungsverhalten redox-sensitiver Elemente - das thermodynamisch nicht erklärbar ist – die Gefahr einer deutlichen Überschätzung der Rückhaltekapazitäten der Deckgebirgsschichten gegeben.

 

Ergebnisse

In den sterilen Umlaufsäulen wurden in den ersten 95 Versuchstagen keine Mikroorga-nismen nachgewiesen (Abb. 1). In diesen Säulen konnte keine signifikante Sorption des Technetiums und des Selens, die auf rein geochemische Prozesse zurückzuführen wäre, festgestellt werden (Abb.2). Bei den, in den Säulen gemessenen, hohen Eh-Werten von > 250 mV liegt Tc in Übereinstimmung mit den thermodynamischen Daten als sehr mobi-les Pertechnetat (Tc(VII)O4) vor. Bei Zugabe eines lnokulums zu diesen Umlaufsäulen stieg die Sorption für beide Radionuklide in kurzer Zeit stark an. 60% der Ausgangsaktivität des Tc- 95m und des Se-75 wurden durch mikrobielle Aktivität des Bodens in den Säulen immobilisiert. Das Makromilieu (Eh und pH) änderte sich durch die mikrobielle Besiedlung der Lockergesteine nicht.

Die unsterilen Säulen mit gleichen Bodenmaterial zeigten schon nach kurzer Zeit eine starke Festlegung des Tc-95m und des Se-75 (Abb. 3). Die Bakterizidzugabe zu den un-sterilen Säulen führte zu einer vollständigen Abtötung der Mikrorganismen (Abb. 2 u. 4) und rief eine Remobilisierung des sorbierten Technetiums um ca. 60% hervor.Die Artenzusammensetzung in den Umlaufwässern erwiesen sich als äußerst heterogen. In allen Säulen kamen ubiquitär verbreitete Mikroorganismen vor, die nicht die auto-chthonen Biozönosen der Böden darstellen, sondern auf mikrobielle Kontaminationen zurückzuführen sind. Interessante Ergebnisse zeigten sich bei der Sorption des Technetiums in Bakteriensus-pension ohne Bodenmaterial. Eine signifikante Abnahme des Technetiums in der Lösung konnte nur in lebenden Zellkulturen bei gleichzeitiger Supplementierung von Reduktionsmitteln gemessen werden.

Weder in Suspensionen mit abgetöteten (autoklavier-ten) Zellen noch in zellfreien Kontrollansätzen wurde eine Abnahme des Technetiums durch chemische Fällungsprozesse bei SnCl2 - Zudosierung registriert.(Abb.5). Bei dem Mechanismus der mikrobiell induzierten Festlegung des Technetiums handelt es sich vermutlich um einen aktiven mikrobiellen Prozeß.

 

Abbildung 1

Abb. 1: Festlegung von Tc in Säulenversuchen unter aeroben Bedingungen. Nach ca. 95 Tagen. Zugabe von NaN3, verbunden mit einer Remobilisierung des Tc und dem Ende der Stoffwechselaktivitäten der Mikroorganismen im Umlaufwasser.

 

Abbildung 2

Abb. 2: Aufnahme von Tc in Reinkulturen (ohne Sediment) an lebenden und autoklavierten (toten) Zellen. Vor einer Aufnahme war eine einmalige Reduzierung der Lösung (hier 1E-4 M SnCl2 notwendig). NaCl- Lösung zur Remobilisierung des an der Oberfläche adsorbierten Tc, EDTA = angelagert an die äußere Zellmembran, Ultraschall = ins Zellinnere aufgenommenes Tc, Pellet = Restphase

 

Abbildung 3

Abb. 3: Aufteilung des gewonnenen Kernmaterials für die verschiedenen Versuche.

 

Abbildung 4

Abb. 4: Säulenaufbau von kleinen Säulen, die zur Untersuchung der Mikoorganismenpopulationen im Sediment dienen. Jeder später angegebene Meßwert steht für eine einzelne Säule.

 

Abbildung 5

Abb. 5: Versuchsaufbau im Labor zur Beibehaltung der Grundwassertemperatur und zur Vermeidung eines Sauerstoffzutritts zum System. 2-facher Inertgasstrom, Flutung auch der Boxen in denen die Säulen und Schlauchpumpen untergebracht sind.

 

Abbildung 6

Abb. 6: Besiedlungsdichten aus 30 Sedimenten angegeben als KBE (Koloniebildende Einheiten) für R2A Agar gegen die Entnahmetiefe. Der einzige KBE Wert > E+06 stammt aus einem Gartenboden

 

Abbildung 7

Abb. 7: Ergebnis der Untersuchungen mit Tc und Se unter Grundwassertemperaturen. Die hier zu erkennende Festlegung unterscheidet sich nicht von der Festlegung in den Sterilisierten Proben. Sie ist also rein gesteinsbedingt. Auch die Zugabe eines bei 10°C "angezüchteten" Inokulums führt zu keiner erhöhten Festlegung.

 

Abbildung 8

Abb. 8: Ergebnis der Untersuchungen mit Tc und Se unter Labortemperaturen. Die hier zu erkennende Festlegung unterscheidet sich nicht von der Festlegung in den Sterilisierten Proben. Sie ist also rein gesteinsbedingt. Auch die Zugabe eines bei 20°C "angezüchteten" Inokulums führt zu keiner erhöhten Festlegung.

 

Zusammenfassung

  • Der Einfluß spezieller Mikroorganismen für die Festlegung konnte in den Versuchen mit einer Kombination aus allochthonen und autochthonen Mikroorganismen nicht festgestellt werden.
  • Technetium kann von lebender und autoklavierter (toter) Biomasse aufgenommen werden. Eine vorherige Reduktion des TcO4- ist die Voraussetzung dafür.
  • Durch Biomasse festgelegtes Tc wird nicht remobilisiert, solange die Mikroflora "stoffwechselaktiv" ist.
  • Die Remobilisierung des Tc nach der Vergiftung (NaN3) zeigt, daß inkorporiertes Tc nach dem Absterben der Biomasse in aeroben Systemen remobilisiert werden kann.
  • Ein kontaminationsfreies Probe -nehmen, -lagern, und Experimentieren war möglich, da die mikrobiellen Untersuchungen keine signifikante Veränderung der Biozönose erkennen ließen.
  • Die kontaminationsfrei gewonnenen Sedimente zeigten sehr geringe KBE/g Werte (< 10 E+6).
  • Die Experimente zeigten keine signifikante, durch autochthone Mikroorganismen bedingte, Festlegung.
  • Wenn die Ergebnisse von Laborversuchen für eine Gefährdungsabschätzung verwendet werden sollen, ist es notwendig zu wissen, ob die Ergebnisse durch thermodynamische Berechnungen bestätigt werfen können.
  • Ist eine derartige Bestätigung nicht möglich, dann muß als erstes geklärt werden, ob eine mikrobielle Beeinflussung vorliegt, wenn ja, ob die autochthonen Mikroorganismen dafür verantwortlich sind oder eine Kontamination durch autochthone Organismen.

 

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